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Das Weiße und das Blaue vom Ei

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Die Siedlung am südlichen Wiener Stadtrand, in der ich meiner Kindheit rund Mitte der 80er entwachsen bin, war eine mehr als einen Kilometer lange Sackgasse ins Feld hinein, das heute natürlich längst kein Feld mehr ist. Diese lange Sackgasse hatte fürs schon damals Oldtimer-affine Kind den Vorteil, dass man die Autos der Bewohner über die ganze Länge kannte. Auch die, die eine Garage hatten, machten nicht alle die Tür zu, so waren sie schneller wieder beim Gartentor draußen.

Meine Gehgeschwindigkeit am Schulweg...

... verlangsamte sich recht weit unten in der Siedlung, wenn der Blick auf den 1956er/57er Opel Kapitän frei war. Meistens das Heck, dunkelrot. Vorne war er natürlich auch dunkelrot, das konnte man dann sehen, wenn er grad heraußen stand. Irgendwann nahm ein türkiser Volvo 144 seinen Platz ein, heute würde ich mich auch über den freuen. Etwas weiter oben in der Siedlung stand eine Zeit lang ein Borgward P100, die rare Oberklasse-Limousine, die rechtzeitig zu Borgwards Konkurs fertig war. Da ich als Kind nur Borgwards Isabella kannte, degradierte ich den P100 ohne Federlesens zum Eigenbau, er sah auch schon ein bisserl ausgelutscht aus. Recht nah beim Borgward wohnte der Herr D., der einen Fiat Topolino Kombi fuhr, nicht aus Liebhaberei, sondern einfach als Alltagsauto. Muss ungefähr so alt wie meine Oma (Jahrgang 1905) gewesen sein, die beiden tratschten gerne. Einmal zeigte er mir dabei ein altes Autobuch aus den 50ern, das ich ihm mit kindlicher Hartnäckigkeit abschwatzte. Tauschwährung: Das Versprechen, stets gut drauf aufzupassen. Ich hab's mittlerweile knapp 50 Jahre lang gut gehalten.

Gleich zwei heutige Klassiker...

... aber fuhr Herr K., und es waren zwei BMW: Eine blaue und eine weiße Isetta, einmal Standard- und einmal Export-Modell, beide schon ein wenig zerlempert und solcherart mit Herrn K. und seinem Haus in perfekter stilistischer Symbiose. Man sah ihn oft an jener Isetta schrauben, die grad nicht mit Nummerntaferl vor dem Haus stand, und weil er ebenso alleinstehend war wie meine Oma, konnte man natürlich ein paar kindliche Gedanken spinnen. „Nicht einmal denken!" sagte sie sinngemäß und blieb alleine. Der Herr K. wohl auch, wiewohl der Besitz zweier BMW bei der Beziehungsanbahnung vielleicht hilfreich gewesen wäre. Zumindest, bis die Dame das Auto gesehen hätte, weil ein Ei, in das man vorne einstieg wie in einen Kühlschrank, das machte in den 70ern keine mediokre Persönlichkeit mehr strahlend. Ich aber habe mich (Vorsicht, Überleitung mit dem Holzhammer!) gerne gemeldet, als der Microlino als Neuinterpretation der Isetta in die Redaktionsgarage rollte.

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