Mein rechter Platz ist frei, ich wünsch’ mir einen GT3 herbei. Der 911er für alle, die es mit dem Fahren ernst meinen, ist das einzige Auto, das man will. Nein, braucht. Auf Tour im Touring.
Überblick
Porsche GT3: Ikone ohne echte Schwächen
Es gibt eigentlich nix mehr, was nicht schon zum GT3 gesagt wurde. Das macht das hier ein bisschen schwierig. Niemand hat je etwas Negatives zu diesem Auto gesagt, weil es auch kaum etwas gibt. Nur Bereiche, die um Nuancen verbessert werden können, aber genau darum geht es eben, bei Porsches Statussymbol (der 911 Turbo war es einmal) mit Rennmotor und Doppelquerlenker-Vorderachse. Diese Detailverbesserungen wären in erster Linie: um eine Spur bekömmlicheres Fahrwerk, das Vorfacelift-Modell (also der 992.1-GT3) war schon hart an der Schmerzgrenze im Alltagsbetrieb, und eine kürzere Getriebeübersetzung – damit hängt man auf der Landstraßen nicht nur im zweiten Gang fest, sondern kommt auch mal zum Schalten. Gehen tut er so auch einen Hauch besser, man klopft jedenfalls leichter bei den magischen 9000 Umdrehungen an, die wesentlich sind.


Fährt man den ersten Gang aus, befindet man sich bereits weit nördlich der 60 km/h, den zweiten auszufahren, wird schon schwierig.
© Andreas RiedmannTestfahrt zum Red Bull Ring und zurück
Wenn du einen GT3 zum Test hast, musst du damit fahren. Am besten weit, flott und ohne konkretes Ziel. Ziel hatten wir in diesem Fall zwar schon, nämlich den Red Bull Ring (siehe dazu letztes Heft). Hin hatten wir es eilig und außerdem musste der Testwagen erst die Einfahrschallmauer von 1500 Kilometern durchbrechen. Aber die Heimfahrt, die konnten wir gestalten, drehzahltechnisch ohne Einfahrzwänge (Feuer frei!) und zeittechnisch flexibel. Also steuert man, um vom Murtal wieder nach Wien zu kommen, nicht nach Osten, sondern nach Westen. Der Himmel ist blau (noch), der Tank ist voll (90 Liter), Trinkwasser haben wir aber keines an Bord (alles ausgetrunken beim Hinstauen zum Ring).
Glücklicherweise winken uns nach Fohnsdorf ein paar Jungs in einen Parkplatz am Straßenrand, sie hoffen, die Grand-Prix-Heimkehrer nehmen ihnen ein paar Getränke ab, die vom letzten Feuerwehrfest übrig geblieben sind. Die Ketchup-Reste an der Flasche verraten es uns, sie kleben nun auf den Händen. Kurz stehenbleiben und abspülen. Die Mostschenke Stoxreiter, die sich gerade anbieten würde, wird ausgelassen, wir müssen weiter, weil es dunkel wird und der Regen herschaut. Über den Hohen Tauern hängen die Wolken, richtig zum Schütten fängt es aber erst zwischen Trieben und Admont an.
Regen, Semislicks und schwindender Grip
Und da tut sich ein Problem beim GT3 auf: Die Semislick-Bereifung vom Michelin mag Regen nicht so gerne, zumindest kein stehendes Wasser. Aber es kommt noch schlimmer: Bei der Einfahrt in den Nationalpark Gesäuse ist Baustelle, und zwar so eine mit Ampelschaltung. Wartezeit: 1 Minute 55. Nervöse Blicke auf die Reifentemperatur, die vorne auf 34 Grad, hinten sogar noch mehr abgefallen ist. Deutlich zu wenig Temperatur für einen Cup-2-Reifen.
Nachdem wir uns wieder in Bewegung gesetzt haben und die Gripverhältnisse in unserem rund 350.000 Euro teuren Porsche ausloten (mit Extras), taucht ein Herausforderer im Rückspiegel auf: VW Caddy, abgerockt, Liezener Kennzeichen. Die Lichthupe verkneift er sich, aber sein Abstand macht deutlich, er ist der schnellere von uns beiden. Wir lassen ihn ziehen.
Die Strecke war mittlerweile von Schnecken, die der Regen herausgelockt hat, übersät, und wir haben versucht, jeder einzelnen auszuweichen (Richtungsänderungen sind auf den lang gezogenen Kurven in den Wildalpen ohnehin förderlich für die Reifentemperatur, die sich nach wie vor nicht erholt hat. 26 Grad rundum, bei 19 Grad Außentemperatur).


Im Grunde ist er ein Rennstreckenviech ohne Flügel und mit viel Leder. Aber genau das macht die Magie aus.
© Andreas RiedmannFahrgefühl, Technik und Fazit
Bei Mariazell lässt der Regen nach, zwischen Sankt Aegyd am Neuwalde und Hainfeld finden wir sogar trockene Abschnitte vor, und schon geht die Reifentemperatur nach oben, der Grip kommt zurück. Ideal, um die Kalte Kuchl in Angriff zu nehmen und sich wieder auf das Auto selbst zu konzentrieren. Die letzten Kilometer waren nicht einfach, lieber wäre man in einem Turbo gesessen, aber sobald es wieder losgeht mit den Kurven, weiß man, warum GT3.
Da ist diese Leichtigkeit, die man tatsächlich merkt, die Vorderachse, die kompromissloses Einlenken wie im Supercar möglich macht, der Sechszylinder mit seiner Motorsportlichkeit, scheuerndes Einmassenschwungrad, unrunder Lauf bei niedriger Drehzahl, als würde was hin sein, Kreissäge bei hoher. Sound Marke Nürburgring, Le Mans, Daytona. Das Doppelkupplungsgetriebe, präzise, direkt und emotional, wenn auch nicht mehr ganz so kompromisslos scharf wie noch beim 991.
Dazu kommt das Phänomen 911 an sich, perfekte Sitzposition, sportlich-bequem, auch mit modernem Infotainment, dennoch beim GT3 mit Drehzündung und echtem Getriebewahlhebel, fast schon ein Grund alleine, einen GT3 zu nehmen, da reden wir noch gar nicht vom Motor.
Am Ende waren es 300 Kilometer, die Fahrzeit betrug viereinhalb Stunden, bei durchschnittlich 66 km/h und 19 Litern pro 100 Kilometern. Eine Tour, die in Erinnerung bleiben wird, wegen des Settings, aber vor allem wegen des Tourings. Wer sich ob seiner Flügellosigkeit, der Rücksitze und der Komfort-Sessel einen Cruiser erwartet, liegt falsch. Im Grunde ist er ein Rennstreckenviech ohne Flügel und mit viel Leder. Aber genau das macht die Magie aus. Die Kombi ist traditionell Porsche. Und so fällt man nach so einem Ritt ins Bett, schnappt sich das Handy und schaut auf den Gebrauchtwagenseiten nach Tourings. 991.2, 992.1. Oder nach 993 RS mit kleinem Flügel und Carrera RS 2.7 Touring.
Zusammenfassung
Was wir mögen
Dass es sich hier um ein Tracktool im Alltagsgewand handelt … das, warum auch immer, Touring heißt.
Was uns fehlt
Genügend Auslauf, um öfter auf 9000 Umdrehungen zu kommen.
Was uns überrascht
Wie viel Grip ein Semislick bei entsprechender Temperatur im Regen haben kann.
Die Konkurrenz
Zugespitzte 2+2-Sitzer, von Mercedes-AMG GT 63 PRO (circa gleich teuer) bis BMW M2 CS (nicht einmal halb so teuer).
Daten & Ausstattung
Preis | € 300.967,– (NoVA 43 %) |
Steuer | jährlich € 4.553,28 |
Motor, Antrieb | 6-Zylinder-Boxer, 3996 ccm, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Heckantrieb. |
Leistung/Drehmoment | 375 kW (510 PS) bei 8400/min, 450 Nm/6100/min. |
Fahrleistungen | Spitze 311 km/h, 0–100 km/h 3,4 sec. |
Verbrauch | 3,8 l/100 km, CO2 312 g/km. |
Dimensionen | L/B/H 4570/1852/ 1279 mm, Radstand 2457 mm, Gewicht 1552 kg, Kofferraum 135 l, Tank 64 l (90 l optional), Reifen vorne 255/35 R20, hinten 315/30 R21. |
Ausstattung | Matrix-LEDs, Schmiederäder, Navi, Rückfahrkamera. |
Extras | Leichtbau-Schalensitze € 8.804,–, Leichtbau-Paket € 47.722,–, Keramik-Br. 14.841,–, Lederausstattung Exclusive Manufaktur € 19.091,– etc. |