Autorevue Logo

Mit dem Ur-Twingo nach Paris

Paid Content Identifier
Exklusiv für Abonnent:innen
Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
14 min
  1. home
  2. Klassik

Auf kleiner Achse: Zur Premiere des neuen Renault Twingo in Paris wollen wir so stilvoll anreisen wie noch nie. Also im Urmodell mit 54 PS, unterwegs besuchen wir ein paar gleichgesinnte Spinner, zeigen dem Twingo, wo er vor Jahrzehnten gebaut wurde, und der einzig ungewollte Stopp wird von einem Bart ausgelöst.

Zum Aufwärmen ein paar Sammler

„Das liegt sicher an meinem verdächtigen Vollbart."

Was früher der Langhaarige im 2CV war, ist heute der Vollbärtige in Wurschtwelchemauto, nämlich ein Erreger von Verdacht im strengen Auge des Gesetzes. Das steht neuerdings wieder an manch Grenze, und wo früher Drogen vermutet wurden (damit wächst männliches Haupthaar bekanntlich besonders lang, vor allem im 2CV), keimt heute der Sprengstoff-Verdacht, wie Bartträger mittlerweile ahnen.

Eine Kontrolle aller Papiere später bescheinigt der deutsche Grenzpolizist, dass eh alles in Ordnung wäre. Das haben wir eh auch vorher gewusst, hätten wir gerne gesagt, sagen aber nichts, weil für eine Notiz in dieser Geschichte reicht die Episode auch so.

Außerdem bin ich ja nicht ganz unschuldig.

Als Tizian Ballweber, Träger des verdächtigen Vollbarts, PR-Spezialist bei Renault Österreich, privat bislang rein platonischer Old- und Youngtimerfan, eine Idee hatte, ahnte er, wen er nach deren Güte befragen möge. Die Idee: Rechtzeitig zur Ankunft des neuen Twingo in Österreich (erste Enthüllung auf Seite 42 in dieser autorevue) einen klassischen in den Pressefuhrpark holen und zur Einstimmung ein paar Journalisten hinters Lenkrad bitten. Die erste Reaktion der Konzernzentrale hätte ich gerne gesehen, habe aber taktvoll nie danach gefragt. Natürlich riet ich im Vollbesitz meiner Freude an bunten, mutigen, einst revolutionären Klassikern zum Verwirklichen der Idee. Genauer gesagt: Ich redete in unserem Mailverkehr ein bisserl gescheit daher, Mansplaining zwischen Männern und auf Aufforderung geht schon in Ordnung.

Außerdem ist Befangenheit zu vermelden.

Ich habe vor ein paar Jahren mehr Twingos ge- als verkauft, als staatlich geprüfter Twingo Connaisseur meistens Sondermodelle oder Exemplare mit besonders farbenfroher Lackierung. Könnte auch daran liegen, dass mein zweites Testauto nach Dienstantritt bei der autorevue ein Twingo Easy war, hellrot wie das Auto dieser Geschichte.

Ja, es ist lange her.

Ein paar Wochen nach meiner im Wesentlichen aus knappen Worten bestehenden Expertise („Kaufen!") trat ein 1996er Twingo mit Faltdach seinen Dienst in der Renault Presseabteilung an, die ihm ein üppiges Service gewährte.

Dann zündete Tizian seine nächste Idee. Er schlug vor, gemeinsam damit zur Enthüllung des neuen Twingo nach Paris zu fahren, es wäre wegen des würdevollen Empfangs für den Neuen, und der Alte solle nach ein paar Jahren des Herumstehens wieder was sehen von der Welt. Zum Beispiel ein paar Sammler, wir könnten Rauh Racing besuchen, wo grad ein Twingo für den Nürburgring aufgepäppelt wird, und die Fabrik in Flins bei Paris, wo er vom Band kam.

Besonders das mit den Sammlern ist mir ein Anliegen.

Es keimt bei meiner Freundin nämlich bisweilen der Verdacht, dass man deshalb kaum noch Urtwingos im Straßenbild sähe, weil ich die alle aufgekauft hätte. Auch wenn ich meine Twingos grad nicht zählen mag: Zwischen den echten Sammlern bin ich bestenfalls der Lehrlingsanwärteraspirant. Die sind nämlich alle tief zweistellig, und bei ihnen zählt man nicht durch, man rechnet hoch.

Der erste Sammler ist keine große Überraschung für den Twingo, denn der hat ihn vor ein paar Wochen an Renault verkauft. Josef Metzker, Inhaber der verehrungswürdigen Autoverwertung Auto Metzker, Schöpfer des Café Gasolini (www.autometzker.com) und Altblechnarrischer vor dem Herrn, ist nämlich vor ein paar Jahren auf den Twingo gekommen: „Mir ist das Straßenbild schon lange zu grau, also habe ich bei willhaben als Suchbegriffe gelb und Auto bis 2.500 Euro eingegeben."

Den solcherart gefundenen VW Beetle hat er wieder verkauft, das mit dem Twingo hat eine erfreuliche Eigendynamik genommen: Die ganze Familie passt rein, und Josef kann mittlerweile die Gelbtöne der ersten Twingoserie beim Namen nennen. Rund 60 andere Modelle hat er freilich auch schon gekauft, zum Beispiel ein Sondermodell Chic & Sexy, aber „ich hab dran noch nix gefunden, was ihn dazu macht".

Ähnliche Feinspitze findet man in Werner, Roswitha und Sebastian Landerdinger, beruflich Inhaber eines Renault-Familienbetriebs im oberösterreichischen Mauerkirchen, von der Berufung her Betreiber eines Renault-Museums (Portrait in autorevue 5/2025). Den gewiss etwas mehr als 60 Twingos gehört eine eigene Halle, aber auch quasi jeder bis dahin freie Winkel des weitläufigen Geländes: Man schaut um ein Eck und entdeckt wieder ein paar Ersatzteilspender.

Man schaut aber noch lieber in die Halle und entdeckt einen innen wie außen mit buntem Plüsch bezogenen Twingo, ein paar serienmäßige und ein paar individuell gestaltete Sondermodelle (jenes für Diego Maradona, beispielsweise), einen Twingo der Deutschen Post (mit einem eigens gemischten Gelb, da hätte Josef Metzker seine Freude dran) und einen guten Querschnitt durch die 14-jährige Amtsperiode des Urtwingo. Einige davon sind verkäuflich: „Der Twingohandel läuft gut, viele Leute legen keinen Wert mehr auf Statussymbole, aber sie verstehen jetzt den Spaß, den der Twingo macht." Gerne erzählt Werner Landerdinger die Geschichte eines Bekannten, der sich nach einem Mercedes E-Klasse Kombi mit dickem Motor jetzt eines Twingos erfreut, der Schäferhund des Bekehrten hat sich über den Unterschied auch nie beklagt.

Paid Content Identifier

a+ das digitale Angebot der autorevue

Jetzt Abo wählen und weiterlesen.

Schon Abonnent:in? Hier einloggen.

weiter
Mit der Bestätigung des Kaufs stimmen Sie unseren AGBs und Datenschutzbestimmungen zu.