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Elektrisch laden unterwegs: Ein Leitfaden

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Elektrisch laden unterwegs: Ein Leitfaden

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Es gibt mittlerweile eine erstaunliche Vielfalt an Ladestationen. Unter welchen Bedingungen man dort laden kann, ist aber noch immer schwer zu durchschauen. Ein kleiner Leitfaden durch den Ladekarten-Dschungel.

Mit Benzin und Diesel ist es einfach: Du kannst an jeder Tankstelle tanken und von weitem siehst du schon, wie viel der Liter Sprit kostet, zum Beispiel am Montag immer ein bisserl weniger als vor dem Wochenende. Beim Elektroauto ist das Laden unterwegs hingegen immer noch ein echtes Abenteuer. Nicht so sehr, weil man nicht wüsste, wo man den Strom herkriegen sollte – mittlerweile gibt es ja schon ein recht dichtes Netz an Ladestationen –, sondern weil man mitunter keine Ahnung hat, wie viel es kosten wird und wie die Abrechnung funktioniert.

Das hat mehrere Ursachen, und die werden sich auch weiterhin nicht ohne weiteres in Luft auflösen. Die Kraftwerks- und Netzbetreiber sowie Serviceprovider haben sich in ihrem Konkurrenzkampf die Mobilfunk-Branche zum Vorbild genommen und bieten Tarifmodelle nach ähnlichen Mustern an – allerdings ohne strenge Regeln fürs Roaming, also die gegenseitige Verrechnung von Leistungen und die Weitergabe der Kosten an die Kundschaft.

Das Fatale daran: Eigentlich funktioniert der Alltag der meisten Elektroauto-Besitzer schon recht klaglos, selbst bei lückenhaftem Ladenetz und gelegentlichen Zores beim Bezahlen an den Stationen. Normalerweise fährt man – solange man über Nacht sozusagen im Schlaf laden kann – morgens mit voller Batterie los und kommt im Regelfall durch den ganzen Tag (manche sogar durch die ganze Woche).

Schwierig wird es aber, wenn man auswärts tanken muss. Ein regelrechtes Durcheinander an technischen Varianten und Abrechnungssystemen wird auch noch durch eine kundenfeindliche Marktdynamik verschärft, denn der Konkurrenzkampf der unterschiedlichsten Anbieter lässt auf wenig Interesse an einer transparenten Situation für die Kundschaft schließen.

Regional im Minutentakt.

Das Laden eines Elektroautos ist ja nicht ein simples Geben und Nehmen zwischen der Kundschaft und dem Anbieter. Die Geschäftsmodelle dahinter sind viel komplexer.

Am einfachsten stellt es sich noch dar, wenn man mit der Ladekarte eines regionalen Energieversorgers an dessen Ladesäule tankt. Dann wird mit ihm direkt verrechnet. Der größte Nachteil dieser Variante: Die österreichischen Energieversorger rechnen im Minutentakt ab, unabhängig davon, welche Energiemenge das Auto tatsächlich aufnimmt. Das trifft jedenfalls auf die Landesenergieversorger und einige städtische E-Werke zu, die zum BEÖ (Bundesverband Elektromobilität Österreich) zusammengeschlossen sind, und Smatrics, ein Gemeinschaftsunternehmen von Verbund, OMV und Siemens.

Diese Minutenabrechnung stammt noch aus der Zeit, als es keine Ladesäulen gab, die dem Eichrecht entsprachen, man hätte also eine Abrechnung in Kilowattstunden anfechten können.

Keine Abrechnungsprobleme gibt es naturgemäß für Kommunen und Supermarktketten, die den Strom als Frequenzbringer gratis abgeben, oder für Tesla, wo man zuweilen auch Gratisstrom am Supercharger bereitstellt, um den Absatz von Modellen anzukurbeln, wenn sie gerade nicht so begehrt sind (z. B. Model X).

Die aufrichtigere Art ist es, in Kilowattstunden abzurechnen, weil das dem wahrhaftigen Energiebezug entspricht. Andere Ladenetzbetreiber sind längst dazu übergegangen oder haben es nie anders gemacht. Sie sind aber oft keine Stromversorger, müssen also selbst für den Strom bezahlen, den sie übermitteln. Außerdem will der Ladenetzbetreiber, dass seine Kundschaft auch bei den Ladesäulen anderer Netzbetreiber tanken kann. So braucht es zusätzlich leistungsfähige EDV-Unternehmen, die die Ladenetze vernetzen und eine sichere Abrechnung gewährleisten, was weitere Kosten verursacht.

Und es gibt auch noch Unternehmen, die gar keine Ladesäulen betreiben, sondern unter ihrem Markennamen überhaupt nur die Vernetzung der Vernetzung anbieten. Beispiele für Letztere sind Plugsurfing, New Motion (Shell) und Routex (OMV, BP), auch längst bekannt für die Abrechnung von Kraftstoffen für Firmenwagen. Sie bieten die größten Netze europaweit, aber auch die größte Kostenunsicherheit bei der Abrechnung.

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 © laggers.at

Einen ganz speziellen Fall stellt Ionity dar: Der Ladenetzbetreiber ist ein Joint Venture von mehreren Autoherstellern (BMW, Ford, Mercedes, VW-Gruppe und Hyundai) mit Sitz in München. Man bietet Ladeleistungen (High Power Charging) bis 350 kW. Die Abrechnung erfolgt entweder über einen Serviceprovider wie Plugsurfing, einen Roamingpartner wie Smatrics, einen Autohersteller oder direkt an der Säule per Smartphone. Bei Direktabrechnung kostet die Kilowattstunde 79 Cent, mit den Ladekarten der am Joint Venture beteiligten Automarken weniger als die Hälfte. Die Summen, die ein Roamingpartner verrechnet, sind ganz unterschiedlich, aber vor der Ladesäule stehend vor dem Tanken übers Smartphone abrufbar. In Österreich haben die klassischen Stromversorger mittlerweile auch Konkurrenz bekommen. Einer der Ersten war der Waldviertler Windkraftbetreiber Ella (mittlerweile im Besitz der deutschen WEB). Ella betreibt vor allem Ladestationen für Supermarkt-ketten. Der Tiroler Mineralölhändler Gutmann hat schon früh die Zeichen der Zeit erkannt und betreibt österreichweit an Verkehrs-Hotspots mit Partnern mehr als 50 Stationen mit Ladeleistungen bis 150 kW. Eng verbunden damit: das Ladenetz des ÖAMTC.

Es gibt noch einen Begriff, der gerne als Lösung für alle Abrechnungsprobleme angepriesen wird: Plug & Charge ist weder Stromversorger noch Serviceprovider, sondern eine neue Abrechnungsmethode. Was für Tesla-Fahrer längst im eigenen Supercharger-Netz selbstverständlich ist, soll nun auch für Nutzer anderer Marken funktionieren: Man steckt sein Fahrzeug an, die Software identifiziert sich selbst, es kann sofort geladen werden – ohne Ladekarte oder Smartphone. In Kürze zu erwarten für Produkte der Autohersteller, die auch an Ionity beteiligt sind, also BMW, Mercedes, Ford und die VW-Gruppe. Das Problem mit unfairer Abrechnung wird durch die neue Technik aber nicht grundsätzlich behoben. Ganz grob noch ein Kostenvergleich: Klar, dass das Laden unterwegs in der Regel deutlich teurer ist als daheim, zumal eine Kilowattstunde Haushaltsstrom für rund 20 Cent zu haben ist. Beim Schnellladen liegt man zwischen 40 und 80 Cent, durch Aufschläge fürs Roaming kann man deutlich darüberkommen. Bei einem klaren Nutzungsprofil und der geschickten Wahl eines Tarifmodells mit Grundgebühr wie beim Handy können Vielfahrer auch mit unter 40 Cent/kWh davonkommen.

Ein Beitrag aus der autorevue Jänner 2021

Eher auswärts oder daheim?

Die Wahl des richtigen Providers ist stark davon abhängig, wo und wie oft man lädt.

Die Wahl des optimalen Anbieters hängt in erster Linie vom eigenen Wohnort und dem Nutzungsprofil ab. Die Tarife sind im Detail schlicht nicht durchschaubar, und es nützte nichts, wenn der Strom beim Tiroler Anbieter billiger wäre als beim steirischen, wenn man nie oder nur ganz selten nach Tirol kommt. In Österreich wird entweder im Minuten- oder Halbstundentakt abgerechnet oder nach Energiemenge in kWh, was die Vergleichbarkeit der Angebote grundsätzlich schon erschwert.

Ganz selten

Wer sein Elektroauto nur ganz selten auswärts lädt, braucht sich überhaupt nirgends anzumelden, vorausgesetzt er hat ein Smartphone und eine Kreditkarte eingesteckt. Mit dem Handy kann man sich bei fast jeder Ladesäule (außer Tesla) registrieren, über das Kreditkartenunternehmen wird abgerechnet. Das ist gewiss nicht die billigste Möglichkeit, auch nicht unbedingt die teuerste, auf jeden Fall die einfachste.

Sporadisch

Wer hauptsächlich in seiner Wohnumgebung an öffentlichen Säulen lädt, kommt üblicherweise mit einem Tarifmodell des regionalen Stromversorgers am günstigsten davon. Dieser betreibt dort in der Regel die meisten Ladesäulen, somit hat man auch ein ausreichend dichtes Ladenetz zur Verfügung, allerdings überwiegend nur bis 11 kW Ladeleistung, also relativ langsam. Auf weiteren Strecken und mit größeren Ladeleistungen kann man dann bei einem Roamingpartner wie Smatrics laden.

Häufig, österreichweit

Wer weiter fährt, will auch öfter mit hoher Leistung laden, sich aber nicht auf den Preispoker der großen Serviceprovider einlassen. Dann funktioniert das Netz von Smatrics ebenfalls gut, aber auch mit da-emobil/ÖAMTC kommt man voran.

Häufig, europaweit

Wer sehr häufig europaweit unterwegs ist, benötigt einen Anbieter, der mit vielen Roamingpartnern Verträge hat, etwa auch mit Ionity, dem Betreiber des größten Hochleistungsladenetzes. Das kann ein Stromversorger wie Smatrics sein, aber auch ein reiner Serviceprovider (Plugsurfing und Co), der nur ein Abrechnungsmodell betreibt und viele Stromversorger unter Vertrag hat. Die Ladekarten der Autohersteller sind üblicherweise auch für Weitreisende geeignet.

Alle Ladekarten-Anbieter im Überblick findet ihr hier.

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