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Toyota Sera

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Wer im Glashaus sitzt, erfreut sich einer Soundanlage wie in der Disco, zweier Schmetterlingstüren und eines Coupés, das offiziell nie bis Österreich kam, aber den Übergang vom mechanischen ins elektronische Zeitalter markieren sollte. Mit Rechtslenkung alleine.

Vom Konzept zur Serie: Die Entstehung des Toyota Sera

Zwar sollte der Toyota AXV-II bei der Tokyo Motor Show 1987 nur ein wenig die Zukunft kleiner Coupés abstecken, aber das Auto war einfach zu nah dran an der Serienreife, um keine Spuren in den Verkaufslokalen zu hinterlassen. Obendrein war Japans Autoindustrie in jenen Jahren ziemlich schwungvoll drauf, auch wirtschaftlich. Da gab's also Geld für Spielzeuge. Es gab auch Käuferinnen und Käufer, die danach nicht nur verlangten, sondern wirklich kleine Coupés erwarben. Um sich von jenen der Konkurrenz abzuheben, war Mutiges gefragt. Zum Beispiel ein Glashaus von einem Dach. Man darf beim AVX-II auf ein lautes Publikumsecho tippen, und wenn die Technik schon im Haus ist, dann passen auch die Entwicklungskosten zum jugendlichen Zielpublikum. An das dachte Toyota seit Start des Young Project 1983: Das erste, glupschäugige Konzeptauto, der Toyota Palette (Y-1), fiel vor allem wegen seines Designs durch, und zwar schon bei den Firmenchefs. Erst als 1985 Designer Hiroyuki Yao mitmischen durfte, festigte sich die Grundlinie im Gefälligen. Die Entscheidung für Schmetterlingstüren (im Unterschied zu Flügeltüren auch an der A-Säule, aber nur einmal am Dach angeschlagen) fiel, als noch nicht einmal klar war, wie die technisch zu realisieren wären, da war auch der Weg zum kuppelförmigen Glasdach nicht mehr weit. So stand der AXV-II 1987 bei der Tokyo Motor Show.

Technik und Ausstattung: 110 PS und das Super Live Sound System

Bei der Technik griff Toyota zum Fahrwerk des Starlet und einem ziemlich fröhlichen 1,5-l-Motor, wie er 1991 auch den Paseo antreiben sollte. 16 Ventile waren damals sehr angesagt, zwei obenliegende Nockenwellen brachten Sportliches in den Motorraum und auf die Straße: 110 PS und 920 kg machten den Sera ziemlich erfrischend, zumindest, wenn man das Fünfgang-Schaltgetriebe geordert hatte. Es gab auch eine Viergang-Automatik, 90 Prozent der Kundschaft zahlten den Aufpreis. Das Super Live Sound System (SLSS) kostete das Vierfache. Der Name Sera war übrigens vom Französischen inspiriert, man darf ihn mit wird sein übersetzen. Da steckt ein freudiger Hang zur Zukunft drin, und genau so war der Sera gemeint. Toyotas Werkszeitung widmete ihm 1990 eine Doppelseite, und der Text postulierte: Das Mechanische ist tot, jetzt übernimmt die Elektronik. Das zeigte der Sera vor allem durch sein Super Live Sound System, das auch Kassetten und CDs schluckte, und das Klangerlebnis ließ sich umschalten. Dazu schwenkten die Lautsprecher in ihrem üppigen Gehäuse auf der Hutablage nach oben, worauf die Musik nicht mehr direkt an die Ohren strömte, sondern als Querschläger von der Glaskuppel.

Der Sera war auch unter den ganz frühen Autos mit Projektionsscheinwerfern, so gingen sich eine flache Front und die ziemlich rundgeströmte Form aus, für Verspieltes blieb beim ersten Hinschauen kein Platz. Man sollte aber durchaus ein zweites Mal hinschauen, und in der Pause dazwischen mögen sich die Türen öffnen. Andreas Janisch, Besitzer des Autos dieser Seiten: „Sind die Türen geschlossen, dann übersieht man ihn leicht. Wenn man aber die Türen öffnet, dann schauen ALLE. Fährt jemand mit, dann öffnen wir die Türen immer gleichzeitig – das schaut dann aus, als würde er abheben." Schade, dass niemand gleichzeitig die Heckklappe öffnet, so würde das Abheben Bodenhaftung erfahren. Beim Drinsitzen ist der Sera natürlich luftig, aber doch auch heimelig kompakt, Luftzirkulation kommt über die Fenster in den Fenstern, freilich elektrisch versenkbar. Die Leichtigkeit lässt sich gut in Fahrspaß umsetzen, dazu mischt sich auch eine subjektive Unkompliziertheit, die japanische Autos damals auf die Straße brachten: Alles war ausgereift und zuverlässig und rostfrei und dickwandig, aber von Firlefanz und Tand trennten uns noch gut 20 Jahre. Wer meint, dass die Entwicklung damals hätte aufhören können, ist nicht alleine, aber doch ein Fall für die Selbsthilfegruppe. Die Selbsthilfe kann auch darin bestehen, sich einen Sera zu suchen. Davor aber muss man drauf kommen, dass es ihn überhaupt gab.

Andreas Janisch und sein Weg zum seltenen Toyota Sera

Andreas Janisch hat sein Leben lang am Übergang von der mechanischen in die elektronische Welt gearbeitet. Er begleitete bei Philips die ersten Personal Computer ins Land, war ein Jahr lang Toyotaverkäufer, entwickelte lange Zeit Bindungen für Snowboards und Outdoor-Hüllen für Handys. Diese universellen Fähigkeiten führen dazu, dass er heute souverän den Halteclip eines Sera-Radnabendeckels aus dem 3D-Drucker rattern lässt, und seine Freude an Klassikern ist so vielfältig wie seine Talente. Kleiner Auszug: Toyota MR2, Jaguar XJ8, Toyota Celica Cabrio, Ford Taunus 20m. Ein Lancia Gamma ist grad in Arbeit, und wenn Andreas Janisch garantiert nichts Elektronischem begegnen mag, dann widmet er sich seinem Chevrolet Capitol von 1927. Durch den Alltag begleiteten ihn in jungen Jahren ausschließlich Toyotas, „also habe ich vor Jahren bei mobile.de die klassischen Toyotas durchstöbert." Das unbekannte Coupé, das ihm dabei begegnete, war durchaus interessant, „und in der Pension habe ich aktiv mit der Suche begonnen". Die meisten gebrauchten Seras, fand er bald heraus, werden in Russland angeboten. Dorthin exportiert Japan gerne die ausgelutschten Gebrauchtwagen, aber niemand holt sie gerne von dort ab, wenn sie zu noch hinfälligeren Klassikern gereift sind. Ein paar fahren in Australien, Pakistan oder Indien, das machte die Suche auch nicht simpler. Einige fanden nach Großbritannien, aber die dort inserierten Autos sahen schon auf den Inseratenfotos ziemlich hinfällig aus.

Der Kauf in Griechenland und die kleine Sera-Community

Einen Sera antdeckte Andreas Janisch schließlich in Deutschland, einen weiteren bei einem griechischen Händler. Zustand und Preis des Stuttgarter Sera kamen aus unterschiedlichen Welten, nach der Besichtigung ging Andreas Janisch betrübt in ein griechisches Restaurant, das Gespräch mit dem Besitzer hellte die Stimmung wieder auf: Dessen Neffe war Automechaniker in Griechenland, er würde den österreichischen Interessenten gerne als sachverständiger Übersetzer zur Besichtigung in Thessaloniki begleiten. Der Preis glich jenem des deutschen Sera, der Zustand war deutlich besser, drei Wochen danach rollte das Rare in Traiskirchen vom Lkw der Spedition. Die Typisierung gelang erstaunlich nervenschonend, etwas schwieriger ist es aber, Gleichgesinnte zu finden. In ganz Europa sind rund 200 Sera zu vermuten, um das Interesse an einer Clubgründung auszuloten, rief die werkseigene Toyota-Collection in Köln zu einem Treffen. Für die Passagiere der vier herbeigereisten Autos (das fünfte kam aus der Collection selbst) reichte ein Wirtshaustisch, wenn beim nächsten Treffen das Wetter etwas trockener ist, könnte die Teilnehmerzahl aber zweistellig ausfallen. Bis dahin wird Andreas Janisch die CD seines Soundsystems wirklich auswendig summen können: Er hat sie mit dem Sera mitgekauft, und der CD-Player gibt sie nicht mehr her. Japanische Musik, natürlich, auch das Radio ist nur für japanische Frequenzen ausgelegt. Zum Glück hat der Sera-Besitzer noch ausreichend Musikkassetten aus früheren Jahren daheim. Sollte eine Kassette drin steckenbleiben, dann wird er seine mechanisch-elektronischen Talente wirklich ausreizen müssen.

Diese Geschichte ist in Autorevue 1 und 2/2026 erschienen.

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