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Iso Grifo

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Der Dritte seiner Art: Die nochmals rarere Version eines ohnedies sehr raren Autos ist der Prototyp, er ist nur nicht immer gleich als solcher erkennbar: Der dritte Iso Grifo wurde einst im Werk jünger gemacht, als er eigentlich war, und er stand vor seiner Rettung schon ziemlich lange am Schrottplatz.

Von Kühlschränken zur Isetta: Renzo Rivoltas Weg zum Automobilbau

Als Renzo Rivolta mit dem Bau von Kühlschränken und Kühlanlagen ausreichend wohlhabend geworden war für ein paar Flausen, blieben die vorerst noch in Bodennähe: Ab 1948 fertigte er auch Motorroller und änderte dafür nicht einmal den Namen seiner Firma. Schließlich aber war Isothermo dann doch so wesensfremd, dass die größeren Roller ab 1950 Isomoto heißen durften, das klang schon eher nach würdiger Fortbewegung. Die Roller brachten so viel Geld bei der Tür herein, dass Renzo Rivolta an dezenten Aufstieg dachte und mit seinen Konstrukteuren ein Ei auf Räder stellte. Die Iso Isetta hatte mit seinen Kühlschränken immerhin die Art der Fronttür gemeinsam, allerdings schwenkte bei den Kühlschränken kein Lenkrad zur Seite, um den Weg zur zweisitzigen Bank freizuschlagen. Selbst fertigte Iso die Isetta lediglich von 1953 bis 1956 (den Pick-up bis 1958), dann sollte sie Geld durch die Hintertür einspielen: Renzo Rivolta verkaufte Lizenzen nach Brasilien (Romi-Isetta), Argentinien (De Carlo-Isetta), Frankreich (Velam), auch nach Großbritannien und Deutschland. BMW kaufte gleich die gesamte Produktionsanlage, die 161.728 Isettas retteten die Marke über die kargen Jahre. Und Renzo Rivolta hatte Geld für seine wirklich großen Pläne, bald hatte er auch den Konstrukteur dazu: Giotto Bizzarrini hatte sich zu Rivoltas Glück mit seinen bisherigen Chefs so vortrefflich zerstritten, dass er seine eigene Firma Autostar (später in Automobili Bizzarrini SpA umbenannt) gründete und Konstruktionsaufträge entgegennahm. Beste Referenz bislang: der Ferrari 250 GTO. Das Zerwürfnis mit Enzo Ferrari zählte zwar nicht zu Bizzarrinis Referenzen, gab aber schon einen kleinen Ausblick auf die menschliche Komponente, die einen allzu glatten Verlauf der Geschichte sabotieren sollte.

Die Geburt des Iso Grifo: Zusammenarbeit mit Bizzarrini und Giugiaro

Einstweilen aber lief alles glatt, und Bizzarrini entwarf einen Gran Tourismo für Renzo Rivolta, der vom Fleck weg als gelungen galt: Das Fahrgestell hatte Bizzarrini selbst entworfen und dann mit Teilen vom Feinsten zu einem Coupé komponiert – Differenzial von Salisbury, Bremsen von Dunlop, der V8-Motor kam von der Corvette. Giorgetto Giugiaro zeichnete bei Bertone eine Karosserie von hinreißend schlichter Eleganz: Er ließ einfach allen Firlefanz weg, so wurde der Iso Rivolta zum Reiseauto für den Fahrer mit Hut, also auch für Renzo Rivolta selbst. Aus Technik und Chassis durfte dann der Iso Grifo reifen. Die Idee kam von Giotto Bizzarrini, da schlummerten noch ein paar Ferrari-Ambitionen in ihm. Nicht aber in Renzo Rivolta, der Gran Tourismos bevorzugte, und dem die Verluste aus der Produktion des Rivolta schon reichten. Aber Bizzarrini war hartnäckig, man darf den folgenden Kompromiss als Gentlemen's Agreement vom Feinsten werten: Bizzarrini kübelte seine Idee einer Mittelmotor-Berlinetta, und Renzo Rivolta ließ sich zu einer Frontmotor-Berlinetta auf dem um 25 cm verkürzten Chassis des Rivolta überreden. Nuccio Bertone hatte ohnedies noch kein Auto für die nächste Turiner Motorshow, also bot er sich (beziehungsweise: seinen Mitarbeiter Giorgetto Giugiaro) fürs Design und das Herstellen der Karosserie an. Da Bizzarrini eine Straßen- und eine Rennversion schaffen wollte, zielte er auf zwei Rolling Chassis, Rivolta war wieder ein bisserl knurrig wegen der doppelten Kosten, ließ sich allerdings ins Konstruktive besänftigen. Die Straßenversion geriet spektakulär, das Chassis der Rennversion wurde in Bizzarrinis eigener Firma zugespitzt: Alle Aggregate wurden näher ans Zentrum des Autos gerückt. Rennfahrer fragen nicht nach komfortablen Platzverhältnissen, sondern nach der Lage des Schwerpunkts, da darf der erhitzte Motor durchaus die Füße des beengt sitzenden Fahrers aufheizen. So standen am 27. Oktober 1963 bei der Turiner Motorshow zwei ziemlich spektakuläre Sportwagen: Der Iso A3/L Grifo war im Rahmen seiner exaltierten Möglichkeiten der Normale, er schmückte den Bertone-Stand; bei Iso parkte der Iso A3/C, das war der Arge, gebaut für den Motorsport. C stand für Corsa, schnell waren sie beide. Schon bei der Straßenversion hob der Tacho erst bei 20 km/h an (alles drunter war nicht der Rede wert) und hörte bei 320 km/h auf. Da hatte Rivolta vielleicht schon an die spätere Siebenliter-Version gedacht, wobei auch der 5,4 l mit seinen 247 km/h ein Ding aus einer anderen Welt war.

Serienreife, Trennung von Bizzarrini und Rivoltas Tod

Vorerst aber sollte der Grifo zur Serienreife entwickelt werden, dabei dachte Rivolta auch an die Passagiere. Ihnen wurden 5 cm mehr Radstand gegönnt, der Motor rückte 12 cm nach vorne, so konnte der Fahrgastraum größer und kühler gehalten werden. 1964 fertigte Iso noch vier Protoypen, zwei davon wurden in Fahrtests geworfen. Überhaupt, die kleinen Verbesserungen: Rivolta tastete sich langsam an den Idealzustand des Grifo heran, oft wurden Details verändert, den Restauratoren wird seit vielen Jahren nicht fad. Obendrein verzweigte sich die Geschichte des Iso Grifo früh, denn 1965 trennten sich Rivolta und Bizzarrini per Zerwürfnis, Bizzarrini war eben eher Techniker als Psychologe. Er fertigte seine Rennversion als Bizzarrini GT 5300 und siegte damit 1964 in Le Mans bei den Prototypen über fünf Litern Hubraum. 1966 verstarb Renzo Rivolta im Alter von 58 Jahren unerwartet, ebenso unerwartet war sein 25-jähriger Sohn Piero dann Firmenchef. Isos Finanzdecke war freilich noch immer dünn, also wurden auch die Prototypen des Grifo zu Serienversionen erklärt und verkauft.

Ein Prototyp wird restauriert: Das Vermächtnis des Iso Grifo

Dazu bekamen sie Fahrgestellnummern eingeschlagen, das machte die Autos auch ein paar Monate jünger. Jener Grifo, der am 23. Oktober 1965 in Deutschland verkauft wurde, trägt aber auch an etlichen Karosserieteilen car No 3 eingeschlagen, so pflegte Bertone seine Prototypen zu markieren. „Und er hat noch die niedrigeren Seiten- und Heckscheiben", sagt Martin Putzlager, der Besitzer des Autos unserer Geschichte, „die wurden später rund acht Millimeter höher. Eigentlich sollte auch die Frontscheibe etwas höher werden, aber Iso hatte bereits 400 Stück bestellt – so hoben sie das Dach erst hinter der Windschutzscheibe an." Auch einige Instrumente dieses Grifo entstammen der Vorserie, es gibt das Foto eines Vorserienautos mit exakt dieser Farbkombination im Garten der Rivolta-Villa, und Martin Putzlager hatte bislang fast 20 Jahre Zeit für Recherchen: Er fand das Auto 2006 nach langer Suche, es gehörte einem deutschen Sammler, und der Zustand war jämmerlich. Schließlich war der Grifo seit Ende der 70er Jahre auf einem Schrottplatz gestanden. Zuerst im Freien, in den 90ern, als das Interesse der Passanten lästig wurde, versteckte ihn der Schrotthändler in seiner Werkstatt. Irgendwann klopfte ihn der deutsche Sammler weich, der sich 2006 als zu alt für die Restaurierung wähnte. So kam der Prototyp nach Österreich. „Dann haben wir drei Jahre restauriert", sagt Martin Putzlager, und er traf in jenen Jahren Giotto Bizzarrini („Der war Genie und Träumer, und er wollte immer mehr erreichen, als er hatte."), er traf auch Roberto Negri, den letzten Bizzarrini-Mechaniker, der obendrein nach dem Firmenkonkurs alle Werksunterlagen („Das war damals nur Papier.") retten konnte. Noch heute gefällt der Grifo als Fahrmaschine mit Komfort, der brummige, dezent räudige Klang des Motors und der immense Schub bei jeder Drehzahl machen ihn leicht, das präzise und sogar komfortable Fahrwerk erdet die Fahrleistungen, und man kann sich wunderbar an die zarten Details des Interieurs verlieren. Iso fertigte den Grifo bis 1974, die Preise sind schon seit Jahren eher entrückt. Ausgenommen die Modellversion von Matchbox, aber die haben Grifo-Fans ohnedies daheim.

Diese Geschichte ist in Autorevue Dezember 2025 erschienen.

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