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Christian Frenslichs Oldtimerwiese

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Oma Singer rules OK: Wenn jemand auf Umweltschonung durch bewahrende Nutzung setzt, dann renoviert er sich am besten seine eigene Zeitmaschine samt Werkstatt, Rennwagenverkauf und Gäste-Landhaus in einer eh schon entschleunigenden Gegend. So wie Christian Frenslich mit seiner Oldtimerwiese.

Vom Nokia-Handy zum Oldtimer-Sammler: Christian Frenslichs analoges Leben

Christian Frenslichs Handy- Ton ist jener, den ihm das Nokia-Werksmuseum teuer abkaufen würde, gäb's noch eins. Er könnte dem Ex-Hersteller dann auch getrost das ganze Handy verkaufen, denn „ich hab noch vier oder fünf davon daheim. Die kann man noch reparieren, wenn was kaputt ist!"

Christian Frenslich ist ein quirliger Mittfünfziger mit einem weiten Herz für Dinge, deren Gültigkeit deutlich über jene schnelllebiger Elektronik hinausreicht; die Bekanntschaft zum Philosophen Robert Pfaller führt zu allerlei gemeinsam gesponnenen Theorien zur intelligent bewahrenden Weltsicht; er hält Vorträge an der Donau-Universität Krems zum Thema Mobilität und Ressourcen; er mag das Puristische, Reduzierte, und er hält den (nicht abgelenkten!) Menschen für das zuverlässigste System, wenn es ums Steuern eines Autos geht – da muss man ja irgendwann bei klassischen Lieferwagen und klassischen Rennwagen landen.

Land Rover Defender und Peugeot 403: Bewusste Autowahl gegen Neuwagen-Trends

Auch seine Autowahl abseits der Klassiker-Sammlung gibt beredt Zeugnis von vorausschauender Kaufentscheidung: Beruflich fährt der Betreiber einer Firma für Event-Ausstattung einen 2011er Land Rover Defender. Im sommerlichen Alltag fuhr er lange einzig einen Peugeot 403 von 1961, und als ihm der zu schade für alle Tage wurde, hätte sich Christian Frenslich ein einziges Mal in seinem Leben fast vergessen: „Ich hab überlegt, einen Neuwagen zu kaufen!"

Man muss dazu wissen, dass er die heutige Autoindustrie, sagen wir's diplomatisch, nicht über Gebühr schätzt: „Sie weckt ständig neue Bedürfnisse nach Dingen, die bislang niemandem abgegangen sind, um wieder neue Autos zu verkaufen." Also kam er doch noch zur Besinnung, und statt eines Neuwagens wurde ein Volvo 740 von 1985 angeschafft. Eine Limousine im Quasi-Neuzustand, 85.000 km, aus pflegender Hand. Der Kilometerstand wächst behutsam, das mit der pflegenden Hand bleibt strikt wie bisher.

Oma Singers Werkstatt in Nöhagen: Von der Traktorwerkstatt zum Oldtimer-Paradies

Christian Frenslich hat beste Voraussetzungen dazu, denn sein Alter Ego ist Oma Singer.

Oma Singer war eine kleine Notlösung, als der Schalk wieder einmal im Nacken saß. Ihr Name steht heute an der Fassade der Werkstatt, die Christian Frenslich ein bisserl privat, ein bisserl beruflich betreibt – in Nöhagen, wo die touristisch etwas hektische Wachau in die unendliche Stille des Waldviertels übergleitet.

Auch das Haus hat er völlig analog gefunden, zum Glück war auch der Verkäufer mehr in der Kohlenstoff-Welt daheim: „Ich habe lange eine Garage für meine Oldtimer gesucht, und vor ein paar Jahren ist mir die ehemalige Traktorwerkstatt hier aufgefallen. Und ein Zettel an der Tür: Das Haus wäre zu verkaufen, die Telefonnummer hing in vorgeschnittenen Streifen am Zettel dran, so, wie man das früher eben gemacht hat."

Christian Frenslich war ungefähr der Vierte, der eine schon etwas ausgeblichene Telefonnummer abriss. Möglicherweise war er der Erste, der sie auch wählte. Vielleicht war er auch nur der Erste, der nicht gleich aufgab.

Die Verhandlungen mit dem Verkäufer zogen sich nämlich hin – so angenehm lange, dass der potenzielle Käufer zu allen Jahreszeiten vorbeikommen und nachspüren konnte, ob er sich bei Hitze wie bei Schnee wohlfühlen würde. Nach vielen Besuchen ergab sich ein Kompromiss. Man einigte sich auf den Kaufpreis und eine kleine Zusatzbedingung: Der Verkäufer, der das Anwesen nach schwierigen Jahren von seinem Vater geerbt hatte, bat um Demontage dessen Namens von der Fassade. Christian Frenslich erfüllte den Wunsch kreativ: Er demontierte ein paar Buchstaben.

So wurde aus ROMAN RASSINGER einfach OMA SINGER, und sie darf das Projekt als Schirmherrin bis heute begleiten. Ziel: das Wohnhaus und die Werkstatt strikt in den Zustand der 60er Jahre zu versetzen, ein fröhlich zelebriertes Vorhaben. Als Sammler stöbert man eben gerne grüne Badewannen oder nie verklebte Uralt-Fliesen auf, meistens sind die Leute ziemlich froh, wenn sie den Krempel los sind. Glücklich fügte sich die Freundschaft zum Dorfwirt in Senftenberg: „Als er zugesperrt hat, hat er mir den Schlüssel gegeben und gesagt: Du hast den Sommer lang Zeit, nimm, was du brauchst – im Herbst kommen die Bagger." Geschirr, Möbel, Küchengeräte, Elektroinstallationen, Heizkörper werden Christian Frenslich noch lange erfreuen. Und langsam auch seine 11-jährige Tochter Fanny: Wird im Freundeskreis eine krasse Partylocation gesucht, dann weiß sie Rat.

Als Besucher geht man lieber gemeinsam mit dem sammelnden Hausherrn durch die Räume, denn praktisch zu jedem Detail gibt's eine Geschichte. Die Rennsportfotos an den Wänden, beispielsweise, hat sein jetzt 80-jähriger Vater belichtet, Christian Frenslich hat sie alle mit erklärenden Texten versehen, „mit der Schreibmaschine getippt, mit einer Triumph aus den 60ern." Viele der Werkstattschilder, die an der Fassade hängen, sind Repros der gut verwahrten Originale, die Zeitschaltuhr zum Steuern der Außenbeleuchtung ist ein schuhschachtelgroßes Altteil mit einer mechanischen Gangreserve von rund acht Stunden.

Die Ersatzteile für die eigenen Klassiker sind gut in Regale einsortiert, aber wenn möglich, dann wird ein Teil repariert; geht das nicht, dann wählt er am liebsten ein New-Old-Stock-Ersatzteil, also ein unbenütztes Altteil; gibt's keines, dann denkt er über Repros nach. Man sieht das auch wunderbar beim Bewirten eines Redakteurs und eines Fotografen: Der Kuchen ist besser doch ein Neuteil, aber bei einer vollen New-Old-Stock-Kiste Johannisblut von Lenz Moser macht man nicht leichtfertig eine Flasche auf. „Interessant wäre es aber, vielleicht schmeckt der 60er-Johannisbeersaft wie Portwein."

Peugeot-Lieferwagen und Formel Ford: Vom Patina-Liebhaber zum Rennwagen-Enthusiast

Die eigene Oldtimersammlung ist lose ins Ensemble eingestreut, die Freude am Puristischen und leicht Reparierbaren hat Christian Frenslich früh zu prähistorischen Peugeot-Lieferwagen gebracht: Der patinierte D3A von 1955 stammt aus Frankreich, der Erstlack erzählt vom Leben als Werktätiger, die Beschriftung des Weinhändlers wurde künstlerisch ergänzt.

Der Kauf eines DMA von 1947 klappte erst beim zweiten Anlauf – beim ersten „bin ich in Lourdes vor einem Exemplar mit falschem Motor gestanden, da bin ich mit leerem Hängergespann wieder heimgefahren."

Der MK4 von 1937 ist eigentlich zum Viehtransport gebaut, zwei Sitzbänke auf der Ladefläche aber erhöhen die Praxistauglichkeit enorm, eher auf der Kurzstrecke: Mehr als 70 bis 80 km/h schafft keiner der Lieferwagen, so reifte parallel Christians Freude an Schnellerem, ähnlich Puristischem.

Das Formel Ford Festival 1986 darf als kleines Erweckungserlebnis gelten: „Das war die Talentsuche für die Formel 1, 1986 hat Roland Ratzenberger gewonnen, 1987 wurde Karl Wendlinger Staatsmeister, und in Großbritannien hieß die Serie auch Formel Kamikaze, gefahren wurde nach dem Motto Crash or Podium." Die Autos unterhalb der Formel 1 sind heute oft erfreulich günstig zu haben, zu jedem seiner Autos recherchiert Christian Frenslich die Historie, und er zeigt den Rennern auch gerne, wofür sie damals gebaut wurden.

Werkstatt und Rennwagen-Handel: Oma Singers Geschäftsmodell für die historische Rennszene

Aus Oma Singers Werkstatt soll nicht nur ein Spiel-, sondern auch ein berufliches Standbein reifen: Der Restaurierer hat wieder eine Betriebsgenehmigung für Werkstatt und Auto-handel erwirkt, will also schrauben und klassische Sport- und Rennwagen verkaufen, dafür gibt's ja nicht allzu viele Händler: „Ich will ein Gesamtpaket für den Einstieg in die historische Rennszene anbieten: So ein alter Rennwagen muss zu dir passen, von den Abmessungen. Ich hab hier ein paar stehen, da kann man das richtig dimensionierte Auto finden."

Einen alten Formel Ford oder Formel Vau, muss man wissen, zieht man sich eher an wie einen Handschuh, nur dass der Rennwagen aus einem Gitterrahmen und einer Aluhaut besteht oder aus einem Alu-Monocoque, beide deutlich weniger dehnbar als Kalbsleder. Wieder ist es das völlig Analoge, über das Christian Frenslich ins Schwärmen kommt, und es ist eine Freude, ihm beim Zerlegen der Karosserie zuzuschauen (ein paar Schnapperln, keine große Sache), und wie er dann verträumt ein paar Gestänge oder Seilzüge in den Eingeweiden betätigt und von der perfekten Gewichtsverteilung schwärmt, die man hier, samt Fahrer, auf vier Radlastwaagen haarklein justieren kann. Erst dann geht der Wagen in der völligen Harmonie ungeregelten Fahrens in Kurven, und das Popometer kann messen, was sonst fahrlässig der Elektronik überlassen wird: „Du fliegst mit 200 km/h über den Asphalt, da denkst du nicht dran, wen du noch anrufen solltest, sondern bist völlig konzentriert, auch wenn mehrere auf der Strecke sind. Alle fahren Linie, wir kennen einander, wissen, wie sich alle verhalten."

Über Probefahrten in der Umgebung traut er sich mit Interessierten dann aber doch nicht, mit Mitte 50 ist die jugendliche Pfeifdrauf-Mentalität schon ein bisserl entschwunden. Aber er bringt die Autos auch gerne zu Rennstrecken, wenn jemand gekauft hat und jetzt noch praktisch ans Rennfahren herangelotst werden will.

Natürlich ist das Anwesen auch eine feine Zentrale, wenn ein paar Fäden in der Oldtimerei stilvoll miteinander verwoben werden wollen. Oldtimerausfahrten kommen gerne vorbei, um innezuhalten, und Freunde und Bekannte können die historischen Gästezimmer mieten, wenn sie sich ein Wochenende lang aus der hektischen Welt ausklinken und einfach nur mehr zuschauen wollen. Oder ein paar Ausflüge mit dem eigenen Oldtimer unternehmen.

Ganz frei von Vernetzung lebt allerdings nicht einmal Christian Frenslich, aber selbst die ist altmodisch. Um das zu demonstrieren, wählt er mit seinem Handy, Baujahr 2003, die Festnetznummer seiner Werkstatt. Dort schrillt dann ein Sirenen-Klingelton aus einer Zeit, in der Nokia (since 1865, wie man heute so sagt) zwar schon gegründet, aber noch als Zellstofffabrik tätig war.

Das Festnetztelefon ist natürlich eines mit Wählscheibe. Leider gab's keinen Viertelanschluss mehr, aber damit kommt Christian Frenslich mittlerweile ganz gut zurecht.

Dieser Artikel ist in autorevue Juli/August 2025 erschienen.

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