Der neue Supersportler von Ferrari sorgt für Kontroversen, was das Design angeht. Doch am Ende zählt doch der schiere Speed (und dass er auf der Straße bleibt).
Überblick
Exklusivität und Modellpflege bei Ferrari
Gelegentlich hat man bei Ferrari das Gefühl, dass dort vor allem Autos für den arabischen Raum produziert werden, damit sich die dortigen Scheichs ihre Sammlungen befüllen können. Limitierte Kleinserien, Unikate und so Sachen, die man nur bekommt, wenn man schon fünf Autos der Marke besitzt. Doch ab und zu wird noch einer für die reguläre Kundschaft auf den Markt gebracht – das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Diesmal gibt es eine neue Spitze im Sportwagenportfolio von Ferrari und sie trägt einen historischen Beinamen: Testarossa. Der Auskenner denkt sofort an den 500 TR von 1956, der diesen Titel wegen seiner in rotem Schrumpflack gehaltenen Ventildeckel trug, anderen wiederum rollen sofort die seitlichen Kiemen des gleichnamigen Modells von 1984 vors geistige Auge. Und die Schulterpolster von Don Johnsons pastellfarbenen Sakkos.
Technisches Herzstück: V8-Turbo und Hybridpower
Zurück zum Auto: Der 849 Testarossa ersetzt den SF90 Stradale, man könnte auch behaupten, dass wir es hier mit einer behutsamen Weiterentwicklung zu tun haben. Der bekannte Vierliter-Doppelturbo-V8 wurde kräftig überarbeitet und mit den größten Turboladern ausgestattet, die jemals in einem Ferrari-Serienmodell verbaut wurden. Zusammen mit neuen Zylinderköpfen, Ansaug- und Auspuffkrümmern leistet der Verbrenner nun 50 PS mehr als im Vorgängermodell, man pendelt sich bei schlanken 830 PS ein. Spektakulärer liest sich die Literleistung: 208 PS pro Liter Hubraum. Zur Erinnerung: Ein Mondial aus den 80ern hatte aus 3 Litern Hubraum nur unwesentlich mehr Leistung als der 849 aus einem Liter.
Aber weil wir ja in der Welt der Superlative wohnen, gibt es zusätzlich noch – wie im Vorgänger – ein Plug-in-Hybridsystem. Zum Einsatz kommen drei E-Motoren, zwei an der Vorderachse, einer an der Hinterachse, die auf die 830 Verbrenner-PS noch weitere 220 Elektro-PS stapeln, was in einer atemberaubenden Systemleistung von 1050 PS resultiert. Man muss mit dem Lamborghini Revuelto oder dem Aston Martin Valhalla mithalten können (und was, wenn nicht?). Für den Fall kleinlicher Mäkelei: Man kommt mit der im Chassis integrierten 7,45 kWh kleinen Lithium-Ionen-Batterie rund 25 halbgrüne Kilometer weit.
Intelligente Fahrdynamik und Performance-Daten
Um diesen süßen Leistungswahnsinn fahrbar zu machen, stehen am eManettino vier verschiedene Fahrmodi zur Verfügung: eDrive, Hybrid, Performance und Qualify. Darüber steht immer eine spezielle Fahrdynamikregelung, welche Ferrari schlicht FIVE nennt. Das steht für „Ferrari Integrated Vehicle Estimator“ und bildet quasi einen digitalen Avatar des Wagens ab. Längs- und Querbeschleunigung, Geschwindigkeit, Lenk- und Gierwinkel werden gemessen und über einen Algorithmus, welcher auf realen Messungen basiert, die diversen relevanten Systeme angesteuert: Die Traktionskontrolle, das aktive Hinterachsdifferenzial sowie das e4WD-System sind FIVE hörig, ebenso das ABS, das hier mit dem Titel „Evo“ ausgezeichnet ist.
Design, Innenraum und Ausblick auf den Spider
Über das Äußere nur so viel: Wir diskutieren in der Redaktion noch selbst, ob wir den 849 schön finden oder ob es für Ferrari besser wäre, statt dem eigenen Centro Stile wieder Pininfarina zu engagieren. Es finden sich historische Zitate, wie etwa der Scheinwerferbalken an der Front, der eindeutig vom Daytona inspiriert ist. Oder die Wülste über den Hinterrädern, aus denen keck zwei Heckflügel entwachsen, was man so oder so ähnlich schon beim 330 P3 aus den 60ern gesehen hat. Logischerweise hat sich das Design den Gesetzen der Aerodynamik unterzuordnen: Der 849 Testarossa erzeugt bei 250 km/h eine Downforce von 415 Kilogramm. Das ist nicht nur theoretisch, sondern auch für die Rundenzeiten relevant: In Fiorano ist der 849 mit 1:17,5 um 1,5 Sekunden schneller als sein Vorgänger.
Innen stehen die Zeichen ganz auf Moderne. Man wird wie in einem Monoposto eingefasst. Ein Bogen spannt sich von der Fahrertür ausgehend unter dem Lenkrad vorbei und mündet an der Mittelkonsole beifahrerseitig in den Mitteltunnel. Der Beifahrer wird dadurch ziemlich vom Geschehen ausgesperrt, darf sich dafür still auf seinem – jetzt neu – eigenen Display über die Vitaldaten des Fahrzeugs informieren.
Natürlich gibt es für die geneigte Sammlerkundschaft ein optionales Assetto Fiorano-Paket: Das spart durch den erweiterten Einsatz von Verbundwerkstoffen rund 30 Kilo vom Fahrzeuggewicht ein, zusätzlich gibt es besonders leichte Rohrrahmensitze, die verglichen zur Normalversion gleich 18 Kilo einsparen sollen. Wie viel die Carbonfelgen einsparen, verrät uns Ferrari nicht. Dafür aber, dass sich bereits eine offene Spider-Variante in der Pipeline befindet. Der wiegt mit seinem faltbaren Blechdach 90 Kilo mehr als der Geschlossene. Das lässt sich mit dem Assetto Fiorano-Paket leider nicht ganz kompensieren.
Dieser Text ist in autorevue 10/2025 erschienen.