Aber die Zeit ist relativ, und nicht für alle taugt die Vergangenheit auch für die Zukunft: ein paar Gedanken zu Youngtimern im Alltag.
Retro-Charme des Ur-MX-5: Zurück zu den automobilen Basics
Kürzlich hatten wir ein paar erfrischend schlanke Tage, und das lag am Mazda MX-5. Schon der aktuelle (Test gemeinsam mit der Alpine in der vorigen autorevue) wirkt in seiner Schlankheit ziemlich belebend, aber hie und da verteilt Mazda auch Testautos des Urmodells. Remember: 1989, plötzlich war ein tot geglaubtes Segment wieder höchst lebendig, und die Briten sahen, dass sie die Offenen fahrlässig hatten sausen lassen. Etwas irritierend am kürzlich gereichten 1990er MX-5 war nur der Beipacktext: Mazda hatte ein kleines Kärtchen mit Dingen beschriftet, die der MX-5 nicht hat: keine Servolenkung, keine Zentralverriegelung, keine Airbags, kein ABS, keine Klimaanlage, und alles war als Warnung gedacht.
Der Neunziger-Standard: Eine nur ein wenig nostalgische Fahrt in die Vergangenheit
Als Motorjournalist in der späteren Mitte seiner Jahre ist man geneigt, ein 35-jähriges Auto nicht unbedingt als ALT abzulegen: In den 90ern waren die Rostkatastrophen früherer Jahrzehnte ausgebremst, die Autos mit ihren Einspritzungen sprangen immer an, der Sicherheitsstandard war beruhigend hoch. Wir haben ja, um jetzt ein bisserl ins Sentimentale abzugleiten, zumindest privat noch die Zeiten ausbetonierter Schweller miterlebt. Und dass jemand in klirrenden Winternächten um drei Uhr in der Früh eine Runde um den Häuserblock fahren musste, damit das Auto nach dem Frühstück noch ansprang, war nicht so überaus selten. So genossen wir kürzlich die paar Tage an mildem Retro, warfen das Verdeck aus dem Handgelenk in den Nacken (das geht im neuen MX-5 auch so), kurbelten die Scheiben runter (vor fehlenden elektrischen Fensterhebern warnte Mazda nicht, man traut den Jungen also schon ein bisserl was zu), ließen ein wenig ewige Jugend auf uns abfärben.
Die provokante Frage: War das Auto hier schon fertig entwickelt?
Etwas hart ist er freilich schon, merkten wir dann altersgemäß an, aber sonst fehlte uns nicht nur nichts, wir trauten uns sogar an eine mäßig mehrheitsfähige These: Würde der Welt was fehlen, wenn die Entwicklung der Autos damals aufgehört hätte? Zum Beispiel am Stand des Volvo 740, damals vermutlich ein fatal verkaufshemmender Irrtum: Technik eines Traktors, klassenloses bis dezent intellektuelles Image, ver-zinkte Karosserie, leicht reparierbar, Ersatzteilversorgung auch nach 41 Jahren noch ziemlich gut. Nichts piepste, weder im Volvo noch im Mazda MX-5; das ABS war (nicht im Mazda, aber prinzipiell) schon auf der Welt, Gurte und Kopfstützen gab's an allen Plätzen, Katalysatoren waren erfunden. Gut, ein paar essenzielle Sicherheitsfeatures sind während der letzten 30 Jahre durchaus dazugekommen, aber man kann heute ein Auto aus den 90ern ziemlich gut im Alltag fahren und sich am Verdacht laben, dass das ökologischste Auto jenes ist, das schon produziert ist. Tatsächlich sind die Gebrauchtwagenpreise für Autos, die noch weitgehend piepsfrei fahren und nicht ins Lenkrad greifen, während der letzten Jahre markant gestiegen. Und an der Sinnhaftigkeit, einen noch tadellos funktionierenden, kompakten Gebrauchtwagen wegzuschmeißen, um ihn durch ein tonnenschweres Elektro-SUV zu ersetzen, darf ohnedies gezweifelt werden.
Grenzen des Oldtimer-Alltags: Für wen sich Klassiker im Alltag wirklich eignen
Als allgemeingültige Lösung täten wir den älteren Gebrauchtwagen aber dennoch nicht empfehlen: Erstens sind die Vorräte begrenzt – ein paar Jahre ging's sicher gut, alleine vom Altbestand zu leben, aber in zehn bis 20 Jahren wäre das Problem erst wieder da, und wir müssten alle Autokäufe nachholen. Und zweitens sind ältere Autos eher ein Fall für Hobbybastler, die nicht für jeden kleinen Defekt in die Werkstatt müssen; denen es Spaß macht, kostengünstig mit einem Auto zu fahren, das praktisch im zweiten oder dritten Leben angelangt ist; die Freude am Recycling-Gedanken haben und selbstbewusst aufs Prestige eines wuchtigen Neuwagens pfeifen. Das Argument hingegen, dass man als Hobbybast-ler langsamer schraubt als die Profis und bei einem alten Auto bisweilen länger auf Ersatzteile wartet, lassen wir lieber bleiben. Erzählungen über spinnende Neuwagen, die öfters in der Werkstatt weilen, gibt's mehr als Gefahren, an der Bedienung eines Ur-MX-5 zu scheitern. Viele, die noch einen in der Garage haben, fahren im Alltag ziemlich neue Autos. Quasi niemand aber einen Mazda 323 F, das logische Winterauto zum MX-5.
Dieser Kommentar ist in autorevue 9/2025 erschienen.