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Test Land Rover Defender Octa

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 ©  Andreas Riedmann

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Lesen Sie, was Octa eigentlich bedeutet, was Land Rovers allzeitstärkstes, allerschnellstes und brutalstes Produkt alles draufhat und welche persönlichen Erfahrungen Body & Soul daraus ziehen. Schließlich ist heute alles Marketing – mit 1000 Millimetern Tiefgang.

Überblick

Land Rover Defender Octa
€ 259.123,– (NoVA 41 %)
Preis
V8 BiTurbo
Motor
635 PS
Leistung
750 Nm
Drehmoment
Achtgang-Automatik
Getriebe
Allrad
Antrieb
4,0 sec
0-100 km/h
250 km/h
Top-Speed
2585 kg
Gewicht

• Der Defender Octa ist das stärkste und neueste Modell der Defender-Reihe – 635 PS, Hightech-Fahrwerk, Octa-Modus.
• Für den harten Offroad-Alltag kaum genutzt, brilliert er auf der Straße mit Luxus, Komfort und brachialer Performance.
• V8 von BMW, 6D-Dynamics-Fahrwerk – beeindruckende Technik, überraschend zurückhaltend im Sound.

Zwischen Image, Marketing und Realität: Wozu der Defender Octa wirklich taugt

Wie man dieses Riesensäugetier passend einordnen soll? Man könnte den Defender Octa bei der Stiftung Warentest in einen Tresortüren-Vergleich einreihen, man könnte rund ums Petra Copper (Fasanmetallic) ein Fendi-Advertorial in der British Vogue inszenieren oder ein Promotional für AD Italia extrahieren aus dem prallen Luxusambiente einer gehobenen Wohnwelt. Die Brüder Gallagher haben den Defender für ihr Bandrevival mit Oasis als Tour-Shuttlefahrzeug ausgewählt. Marketingleute haben ihn gegen den Mercedes-Benz G 63 AMG aufgestellt als Land Rovers allzeitstärkstes, schnellstes, brutalstes Produkt. Nur ins Gelände will man nicht damit. Gelände folgendermaßen: enge Hohlwege, dornige Büsche, humorlose Sumpfwiesen (alle Räder mahlen, während der Wagen auf der Bodenplatte ruht) oder Schwarzwasser-Furten mit unvermitteltem Tiefgang. Scharfkantige Steine, rabiate Waldmenschen, haltloser Treibsand, verschlungener Weingartendraht und sträflich entsorgter Wirtschaftsmüll. Die übliche Reality halt. Dann lieber auf einen geführten Gelände-Lehrpfad, wo die achsverschränkungskompatibel verlegten Holzschwellen biologisch verpölzt sind, die Wassertiefe genau 1000 mm beträgt und der Böschungswinkel vom Landvermesser kommassiert wurde mit handgesiebtem Granulat. Oder einfach auf der Straße bleiben, wie dies die große Mehrheit der bisherigen Design-Defender-Käufer zu tun pflegt. 500.000 Fahrzeuge wurden in den ersten fünf Jahren des neuen Defender-Modells abgesetzt, ein schöner Erfolg, der demnächst sicher auf elektrisch umgeschaltet wird. (Was übrigens beim Rösselsprung-Nachfolger Ineos Grenadier abgeblasen wurde.)

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Wohnliches Abenteuerstudio. Drehknöpfe, wo man sie braucht. Transluzente Paddles, linkerseits zum Runterschalten.

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Leistungsdaten und Technik: Der stärkste Defender aller Zeiten im Detail

Nochmals zum Mitlesen: Der Defender Octa ist der leistungsfähigste und robusteste Defender aller Zeiten, mit einem 635 PS starken 4,4-Liter V8 Twin Turbo von BMW (M5), mit 6D-Dynamics-Fahrwerk und Octa-Modus. Gleich ein Kritikpunkt: Sehr V8 klingt die Maschine nicht, sondern überraschend dezent. So könnte auch eins dieser Fake-Sounddesigns klingen. Nur der Verbrauch (14–15 l Super/100 km) erinnert an die Glory Days. Bisher war das Aggregat nur im Range Rover und Range Rover Sport erhältlich. Die Leistungsentfaltung entspricht aber einem BMW M2, was die Beschleunigung des 2,5-Tonners auf Tempo 100 betrifft (4,0 sec). Topspeed: 250 km/h. Unser Testwagen hatte übrigens die Reifendimension 22 Zoll aufgezogen, die sich besonders gut als Hecktür-Trophäe macht. Allerdings muss man die knapp 35 kg jedes Mal beim Öffnen und Schließen der rechts angeschlagenen Schleuse mitstemmen. Danke, serienmäßige Soft-Close-Automatik, da kann man die Finger noch rechtzeitig wegziehen. Stemmen muss man auch den Preis, aber der läuft in Österreich ohnehin außer Konkurrenz: 260.000 Euro. Ins Sondermodell Octa Black Edition steigt man übrigens bei ca. 280.000 Euro ein. Was soll man sagen bei einer NoVA von 41 Prozent. (Übrigens geht es noch zwanghafter: Dem Defender X 90/130 mit dem klassischen 5-Liter-V8-Kompressormotor und 518 PS werden 46 Prozent aufgebürdet. Geschenkpaket an die Bundesfinanzen.)

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Ausstattung, Alltagstauglichkeit und Preis: Luxus mit Haken

Dazu gesagt: Die Octa-Fahrzeuge pflegen keine rein optische Behübschung; das Fahrwerk, die Lenkung, die baulichen Veränderungen wurden von der Rohkarosserie weg neu definiert. Das erkennt man schon an den prominenten Abschleppösen mittig vorn und hinten. Anstelle der Normalo-Luftfederung mit adaptiver Dämpfung und mechanischen Torsionsdämpfern gibt es hier ein hydraulisch semi-aktives Integralsystem, das sich, egal, ob Gelände oder Asphalt, satt gegen den Boden stemmt und den Wagenkörper möglichst freihält von Boden- und Massen-Einflüssen wie Body-Roll, Wagenkasten-Wank- oder Trampelneigung. Um 3–4 mm nach vorne versetzte Achsen erlauben nun die erwähnte Großreifendimension, dazu 400/365 mm-Brembos. Die neue 6D-Dynamics-Luftfederung reagiert per hydraulisch miteinander verbundenen Dämpfern und höhenverstellbaren Luftfedern „intelligent“ auf den Fahrstil. Die Watttiefe konnte von 85/90 mm auf einen Meter erhöht werden. Defenders Spurweite dehnte sich octamäßig um rund sieben Zentimeter, die Bodenfreiheit stieg um 28 mm auf 323 mm. Dennoch versiegelte man den Unterboden mit Graphit zwecks besserer Gleitfähigkeit.
Noch einmal sei die überragend schnelle Lenkung erwähnt; speedy gibt sich auch das Signature-Logo unterhalb des Lenk-Airbags. Kurz pressen: Dynamic Mode. Lang draufhalten: Octa-Mode, ein schotterfreundliches Off­road-Programm samt Schotter-Launch-Control und optimaler Gravel-Brake. Muss man haben. In jedem Modus wird der Innenraum rot beleuchtet, ein bisschen Panikmodus schadet nie.

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Fahrverhalten, Symbolik und Fazit: Viel Power, viel Bedeutung – und ein paar Schwächen

Weitere Offroad-Vokabeln: Die Terrain Response 2 Automatik mit Dynamic-Modus passt sich, automatisch oder manuell, an jedes Gelände an. Umfasst einen Dynamic-Modus mit verbesserter Gasannahme. Torque Vectoring by Braking (TVBB) sorgt in engen Kurven für präzises Handling. Das elektronisch geregelte Differenzial und die Bremsanlage verteilen das Antriebsmoment in Kurven optimal auf alle vier Räder. Fahrzeugbewegungen und Seitenführungskräfte werden überwacht, um die Gefahr eines Überschlags rechtzeitig zu erkennen. Dann wird Bremskraft auf das äußere Vorderrad übertragen, um die zum Überschlag führenden Kräfte abzumildern. Allradantrieb (All Wheel Drive, AWD) Verteilergetriebe, zweistufig (Straßen-/Geländeuntersetzung), 8-Gang-Automatikgetriebe.
Und jetzt ein kurzes Extempore ins Werbliche: „Body and Soul Sitz. Die nächste Generation der vibroakustischen Klangtechnologie der branchenführenden SUBPACTM Plattform liefert ein multisensorisches Audioerlebnis der Extraklasse. In den hochmodernen Body and Soul-Sitzen (BASS) sind sechs Wellness-Programme enthalten. Sie werden den Sound nicht nur hören, sondern auch spüren.“ Seid gewarnt, Leute. Es ist absolut unerträglich, als würden sie die Bassline aus deinen Faszien zupfen, Beifahrer drohen, während der Fahrt auszusteigen. Aber vielleicht haben wir die falsche Crew erwischt. Weiter im Programm: 3-Zonen-Klima, Sportliche Edelstahl-Pedalerie, Haushaltssteckdose, Garagentoröffner. Der unwiderstehlich normale Leasingraten-Luxus eben. Trivia: Die Dachlast beträgt 0 kg, wenn der Octa-Modus aktiviert ist. („Wählen Sie den Octa-Modus mit einzigartiger Bremskalibrierung für lose Schotterflächen, um das faszinierendste Geländeerlebnis zu genießen. Unser optimal kalibrierter Dynamic-Modus sorgt für ein verbessertes Fahrverhalten auf der Straße. In jedem Modus wird der Innenraum in einem leuchtenden Rot beleuchtet, wobei die Bildschirmlayouts für optimale Sicht auf Leistung, Drehmoment und seitliche G-Kräfte sorgen.“). Was bedeutet, so fragt man sich die längste Zeit, Octa? Man sieht ein Quadrat als Logo und muss das als Oktogon sehen, als Achteck. Steht seit der Antike symbolisch für Vollkommenheit und im Christentum für Auferstehung (das ist Internet-Wissen), aber wenn wir ein Quadrat sehen, kann man uns das (noch) nicht als Achteck verkaufen. Hm. Muss wohl mit der NoVA zusammenhängen. Noch ein Wort zum Auto, falls das untergegangen sein sollte: Der Octa fährt sich in jeder Lebenslage phantastisch, einerseits stur im Geradeauslauf, andererseits höchst agil im Kleinwinkeligen. Man sitzt unbeteiligt isoliert von allen Fährnissen da draußen; per lässigem Knopfdruck oben schließt man zuletzt noch das Himmelspanorama weg. Die Gasannahme ist vehement, garantiert nichts für Anfänger und Anfängerinnen. Zart streichelt man das Bremspedal, zartfingrig holt man die unteren Gänge per hinterleuchtetem Lenkradpaddle rauf. Mit rüdem Schwung öffnet man die bodentiefe Mittelkonsole. Auf den Rücksitzen ist man mit der appetitlich angeordneten Klimaregelung beschäftigt. Irgendwo wird auch ein bisserl was rekuperiert, aber wer auf die Verbrauchsanzeige blickt, bezweifelt das. Die Geländeleistungen (z. B. 100 % Steigfähigkeit) wird in der Regel vom Mut der Person hinterm Lenkrad begrenzt, schließlich ist das hier Land Rover mit jahrtausendealter Erfahrung und kein windiges Start-up. Nur die ins Windschutzscheibenglas eingeflochtenen Heizdrähte muss man mögen. Muss man mögen. Denn weghaben kann man sie auch gegen sämtliche Aufpreise nicht.

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Salonsteirer trifft nicht die Sache. Defender war immer der Landy für’s Grobe, das ist er rein technisch mehr denn je. Nur die Fassade will man halt nicht zerkratzt haben. Schuhe abputzen nicht vergessen!

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Zusammenfassung

Daten & Ausstattung

Preis

€ 259.123,– (NoVA 41 %)

Steuer

jährlich € 5.227,20

Motor, Antrieb

V8 BiTurbo (4395 ccm), 8-Gang-Automatik, 4WD mit Systemregelung und Untersetzung.

Leistung/Drehmoment

467 kW (635 PS) bei 5855/min. 750 Nm bei 1800/min.

Fahrleistungen

Spitze 250 km/h, 0–100 km/h in 4,0 sec. 

Verbrauch

13,2 l/100 km WLTP, Testverbrauch 12–15 l/100 km. CO2 298 g/km.

Dimensionen

L/B/H 5003/2008/ 2105 mm, Radstand 3023 mm, Reifen 275/45 R22. Bodenfreiheit 323 mm. Wendekreis 13,1 m. Tank 90 l. Steigung max. 100 %. Gewicht 2585 kg. Zuladung 645 kg. Anhängelast 3500 kg/750 kg. Dachlast 100 kg (0 kg im Octa-Mode).

Ausstattung

Reifendruckkontrolle, Panoramaschiebedach, 3-Zonen-Klima, Nichtraucherpaket, Vordersitze 14-fach verstellbar, Matrix LED, Bremsbelag-Verschleißanzeige, verschiedene Fahrmodi, z. B. Berg-abfahr-Assistent, Anfahr-Assistent, Gelände-Tempomat etc., Pivi Pro mit Navigationssystem, 3D-Surround- Kamerasystem, Wade Sensing.

Extras

Matte Lackschutzfolie € 7.955,–, doppelte Luftansaug-stutzen Carbon € 6.818,–, feste Trittstufen schwarz € 2.755,–, ausfahrbare Trittstufen € 6.147,– etc.

Dieser Test ist in autorevue 11/25 erschienen.

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