Autorevue Logo

Kia EV6 GT-line AWD und Nissan Ariya Nismo

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
10 min

© Andreas Riedmann
  1. home
  2. Tests

Das Familien-SUV ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Gemeinsame Ausfahrt mit zwei Vertretern dieses friedfertigen Segments in den schönen Wienerwald.

Überblick

Kia EV6 GT-line AWD und Nissan Ariya Nismo
64.190 Euro zw. 65.390 Euro
Preis
326 PS bzw. 435 PS
Leistung
2165 kg bzw. 2333 kg
Gewicht
Allrad bei beiden
Antrieb
Bis 546 km bzw. bis 417 km
Reichweite
5,3 sec bzw. 5,0 sec
0-100 km/h

• Elektromobilität demokratisiert Hochleistung: Beide Elektro-SUVs bieten mehrere hundert PS und sportliche Fahrleistungen, die früher Supersportwagen vorbehalten waren.
• Technische Unterschiede prägen die Praxis: Der Kia EV6 punktet mit 800-Volt-Bordnetz und doppelt so schnellem Laden, während der Nissan Ariya mit 417 km weniger Reichweite aufweist.
• Preis-Leistungs-Verhältnis hinterfragt: Bei Preisen jenseits der 60.000 Euro stellt sich die Frage nach der Berechtigung gegenüber schwächeren, deutlich günstigeren Basisversionen.
Bild
Bild

 ©  Andreas Riedmann

Elektromobilität bringt Hochleistung in den Mainstream

Schuld ist natürlich die Elek­tromobilität. Wegen der haben jetzt so viele Autos mehrere hundert PS, zumindest in der sehr kurzzeitigen Spitzenausprägung, womit plötzliche Beschleunigungsstöße vollinhaltlich umfasst sind. Derartige Leistungsmöglichkeiten erweitern das Portfolio der Hersteller beträchtlich. Sportlichkeit ist immer beliebt, SUVs sowieso, und schon haben wir Autos wie die beiden hier vorliegenden.

Preisklasse jenseits der 60.000 Euro - Was bieten Kia und Nissan?

Dagegen ist nichts zu sagen. Keines der beiden ist ein unbequemes Brettl. Sie sind groß, ziemlich komfortabel, schauen gut aus und in ihren hier getesteten eher starken bzw. Auszuck- Varianten sogar noch besser, und sie vermitteln ein Potenzial, das man abrufen kann, oder auch nicht. Das hat natürlich alles seinen Preis: Wir haben hier einen Kia und einen Nissan (also keinen BMW oder Mercedes), die sich jenseits der 60.000 Euro aufhalten. Man könnte fast von kaufmännischen Experimenten sprechen: Was geht hinein bei den Leuten? Freilich, es wäre ein faires Experiment, man bekommt ja was fürs Geld. Und zwar, trotz des im Grunde gleichen Segments, doch recht Unterschiedliches. Der Ariya, seit 2022 auf dem Markt, ist als Nismo (Nissan Motorsport) ganz neu. Den EV6 gibt es ähnlich lange, die Baureihe bekam jüngst eine Überarbeitung.

Bild

Kia-Cockpit: eher nüchtern gehalten, was beim Autofahren ja nichts Schlechtes sein muss.

 ©  Andreas Riedmann
Bild

Im Nissan: wohnlich, teils sogar raffiniert, nicht immer praktisch (man trifft die Icons schlecht).

 ©  Andreas Riedmann

Fahrdynamik und Leistungscharakteristik der beiden Elektro-SUVs

Nissan Motorsport also. Beim Ariya hat man das nicht so eng genommen. Er ist höher und schwerer als der EV6, schon rein optisch ein ziemlicher Brocken. Die Zweifarbenlackierung mit Grau und Schwarz ist außerordentlich kleidsam, die roten Streifen ergänzen gefühlvoll. Schönes Auto, im Rahmen seiner Möglichkeiten als gewichtiges SUV. Und eines mit angemessen Brutalo, gerade noch verträglich. Ein Sprint auf hundert in fünf Sekunden war in den alten Zeiten geradezu ferraroid, heute aber ist das nur noch was eher Gutes, so Mittelmaß halt.Positiver ausgedrückt: Die Beschleunigung des Nismo ist super, aber es wird einem nicht so schlecht dabei wie in anderen E-Autos, die sich sportlich nennen. Die Nismo-Taste auf der Mittelkonsole kann man drücken, dann tut sich wohl mehr, aber an sich könnte sie in diesem Auto ein ähnliches Schicksal erleiden wie Entsafter und Hometrainer zu Hause. Das Auto kann auch so schon genug. Beim Kia mussten wir zur zweitstärksten Version greifen, um Entsprechendes zum stärksten Ariya zu haben. Mit dem GT haben die Kia-Leute zwar ein Offensivsystem geschaffen, das schon Richtung Porsche schaut (260 km/h, 3,5 Sekunden auf hundert). Unser GT-Line AWD hingegen gibt es deutlich bescheidener: 188 km/h und 5,3 Sekunden, also auch weniger als beim Nissan. Und doch fühlt sich der Kia etwas schneidiger an. Das mag eingebildet sein oder auch wirklich daran liegen, dass er ein bissl niedriger und leichter ist als der Nismo und dass er insgesamt sportlicher designt ist. Beim Kia leistet der Heckmotor mehr als der Frontmotor, beim Nissan ist das zwar nominell gleich, aber auch dort ist das Allradsystem hecklastig orientiert, maximal 60:40 für hinten, was beiden Autos ein bissl den Hang zum Übersteuern nehmen mag. Bevor es zum Übersteuern kommt, müsste man aber noch die psychologische Barriere überwinden, mit einem großen, vergleichsweise hohen 2200- Kilo-Auto etwa auf einer kurvigen Landstraße mit links und rechts Bäumen überhaupt in einen einschlägigen Tempobereich zu kommen (ohne darüber nachzudenken, wie denn das jetzt wäre, würde man wo einschlagen). Und ohnehin stehen alle fahrdynamischen Maßnahmen in stetem Konkurrenzverhältnis mit den Regelungssystemen (ESP), die der Dynamik mit Leistungsbeschneidungen die Spitzen nehmen. Wenn das passiert, ist man aber tatsächlich eh schon zu schnell. Das Gewicht, die Gewichte, spürt man umso mehr, je kurvenschneller man wird. Das ist logisch, aber bei Autos wie diesen ein sehr unmittelbar und intensiv spürbarer Faktor.Für Beschleunigungsüberfälle von höherer Observanz reicht's aber allemal und bei beiden. Das Ampelheizerl gegen einen Rolls-Royce Dawn kann man riskieren, wenn man zum Beispiel seine systemkritische Veranlagung ausleben möchte.

Bild

Der Kia hat einen Frunk, da kann man das Kabel verstecken.

 ©  Andreas Riedmann
Bild

Beim Nissan kein Frunk. Dafür ein bildhübscher Motor, und das trotz Elektro.

 ©  Andreas Riedmann

Reichweite, Ladetechnik und Ausstattungsdetails im Praxistest

Gewicht kommt bei E-Autos von der Batterie, beide Akkus hier versprechen längere Reichweiten: Der Kia bis zu 546 km, der Nismo nennt hingegen nur 417 km. Die ergeben sich aus dem ziemlich unmäßigen Verbrauch, der wiederum teilweise wohl aus Gewicht und Form resultieren mag, die höhere Maximalleistung wird's weniger sein. Auf dem Gebiet des Stromwesens ist überhaupt der Kia das ambitioniertere Auto, denn er hat ein 800-Volt- Bordnetz, das einerseits Gewicht spart und andererseits vor allem schnelles Laden ermöglicht. Im groben Schnitt lädt der Kia doppelt so schnell wie der Nissan, Unschärfen wie etwa durch volle Belegung eines Terminals aus-, die üblichen Leistungsabfälle während des Ladens eingeklammert. Was der Kia gut kann: vier Rekuperationsstufen, inklusive reines Segeln, blickdichter Sonnenschutz unterm Glasdach. Was er nicht kann: Gebläse. Schon bei Stufe eins zu laut, und nein, das ist kein E-Auto-Phänomen, weil man den Motor nicht hört. Andere E-Autos können das leiser, unter anderem der Nismo hier. Was auch nix kann, ist die Doppelbelegung von Lautstärke und Klima mit Zwang zum Umschalten, und nach wenigen Augenblicken hupft das wieder zurück, jedes Mal ein kleiner Tobsuchtsanfall, und völlig ohne Notwendigkeit. Alleinstellungsmerkmal heißt nicht, dass man absichtlich bei etwas ganz alleine schlecht ist. Wäre die Sitzfläche neigbar, hätten wir uns gefreut. Dafür erfreut der EV6 beim Draufzugehen sehr, schnittiger wurde selten ein großes Auto gezeichnet. Sein etwas banales Cockpit steht im krassen Gegensatz zur gestalterischen Erstaunlichkeit des Ariya-Cockpits, insbesondere sind die touchmäßig in die Holzleiste (oder etwas, das zumindest aussieht wie Holz) eingepflegten Bedienelemente wirklich cool, also wirklich sehr cool. Leider sind sie auch wirklich schlecht bedienbar, die Nis­sanleute haben doch glatt vergessen, dass sich ein Auto bewegt und der Fahrer sich ein bissl aufs Fahren konzentrieren sollte, anstatt kleine Icons zu suchen, die sich überhaupt nicht ertasten lassen. Ohne Einschränkung super ist das S-förmig geschwungene große Display. Der Schwung ist eigentlich unnötig und daher bewundernswert.Wo der Nissan voll gewinnt: Er hat Bügeltürgriffe und nicht diese hinfälligen, ausklappbaren Dingse, die seit einiger Zeit in Mode sind. In beiden Autos muss man vor dem Losfahren eine mittlere Anzahl von Tasten und Icons drücken, um die oft fehlerhaften Warner loszuwerden, solange es nicht zu viele sind, lebt man eh schon irgendwie mit diesem Übel. Jetzt wäre noch fair, wenn wir abschließend klären könnten, warum es etwa ein Nismo sein soll, und nicht der halb so starke Ariya um 20.000 Euro weniger. Oder der EV6 mit 170 PS, um knapp 15.000 Euro billiger. Ja, genau, da müssen wir aber noch einmal nachdenken drüber.

Blurred image background

Man sieht hier die beiden maximal unterschiedlichen Zugänge, wie man denn bei einem Elektroauto mit der Front tut. Kühlergrill in dem Sinn braucht’s ja nicht mehr. Kia hat sich für die sportliche Variante entschieden. Nissan hat sich’s auch nicht einfach gemacht. 

 ©  Andreas Riedmann

Daten Kia EV6 GT-Line AWD

Preis

€ 64.190,–

Motor, Antrieb, Leistung

1 Permanentmagnet-Synchronmotor, Allradantrieb. Dauerleistung System 81 kW (110 PS), maximal 240 kW (326 PS), 350 Nm.

Batterie/Laden

Li-Ionen, 84 kWh, Ladeleistung 258 kW, Ladezeit DC 10–80 % in 18 min.

Fahrleistungen, Verbrauch

Spitze 188 km/h, 0–100 km/h 5,3 sec. 17,7 kWh/100 km, im Test 15–20 kWh. Reichw. bis 546 km.

Dimensionen

L/B/H 4695/1880/ 1550–1575 mm, Radstand 2900 mm, Gewicht bis 2165 kg, Anhängelast 750/1800 kg, Kofferraum 490–1290 l (Frunk 20 l).

Ausstattung

Meridian-Sound, Lenkradheizung, Metallpedale etc.

Extra

Metallic € 800,–.

Daten Nissan Ariya Nismo

Preis

€ 65.390,–  

Motor, Antrieb, Leistung

2 fremderregte Synchronmotoren, Allradantrieb. Dauerleistung k. A., maximal 320 kW (435 PS), 300/300 Nm (v./h.).

Batterie/Laden

Li-Ionen, 87 kWh, Ladeleistung 130 kW, Ladezeit DC 20–80 % in ca. 30 min.

Fahrleistungen, Verbrauch

Spitze 200 km/h, 0–100 km/h 5,0 sec. 24,5 kWh/100 km, im Test 20–27 kWh. Reichw. bis 417 km. 

Dimensionen

L/B/H 4655/1850/ 1650 mm, Radstand 2775 mm, Gewicht bis 2333 kg, Anhängelast 750/1500 kg, Kofferr. 415–1280 l.

Ausstattung

2-Farbenlackierung, digitaler Innenspiegel, Head-up-Display, induktives Handyladen etc.

Bild

 ©  Andreas Riedmann

Dieser Test erschien in der autorevue 7&8 2025.

TestsElektromobilität

Über die Autoren

Jahresabo ab 3,99€ pro Monat