
Tiefenentspannt wie seine Hunde, abgeklärt wie der alte Professor Prost, rücksichtsvoll bei der Wahl der Worte, rücksichtlos im Kampf um die Kurve. Oscar Piastri, der erste in diesem Jahrtausend geborene Formel-1-Sieger, erobert die Welt, indem er zugleich rast und ruht.
Boxenfunk offenbart Piastris einzigartige Persönlichkeit
Im lautesten Sport der Welt ist Schweigen nicht nur Gold, es ist eine Superkraft. Das Medium Radio seinerseits gewinnt durch das Weglassen des sonst so omnipräsenten Faktors Schauen an Vorstellungskraft, es lässt mehr Raum für Fantasie und für realistische Wahrnehmung zugleich, man hört die Zwischentöne, es spricht klarer, als es ein Kinofilm über die Formel 1 etwa tut. Das gilt auch für die andere Übersetzungs-Variante des englischen Wortes Radio, für den Funk oder genauer: den Boxenfunk. So froh wir sein können, ihn in der aufregendsten Zeit der Formel 1 nicht gehabt zu haben, und so nie von jammernden oder petzenden oder schleimenden Ikonen jener Ära gehört zu haben, so sehr hilft der Funk uns in modernen Zeiten, tief in die Seele der Fahrer einzudringen: Der an guten Tagen so unberührbare und von der Mutter gut erzogene Verstappen wird in Sekundenbruchteilen zum jähzornigen Buben, der sich ungerecht behandelt fühlt, Monsieur Leclerc offenbart immer aufs Neue sein mittlerweile tief sitzendes Misstrauen gegen die Ferrari-Strategie, der verwöhnte Bursche Stroll behandelt seine Ingenieure wie austauschbare Angestellte, der nette Mister Norris gibt sich selbst immer als Erster die Schuld. Nur einer bleibt bei diesem Seelen-Striptease immer gut angezogen: Oscar Piastri, der wohl abgeklärteste 24-Jährige, den die Formel 1 je gehört und gesehen hat. Einer, der schon mit Anfang 20 als stiller Brüter und schweigender Rechner galt, der auf jede Nachricht im Boxenfunk präzise und auf den Punkt antwortet, gefühlsneutral, cool, niemals hektisch. Damit sagt er alles über die stete Klarheit in seinem Kopf, und das aufgeräumte Innenleben, das Stärke, ja Überlegenheit vermittelt.
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