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Kommentar: Geld für Stau

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In Italien kann es künftig Schadenersatz bei Staus geben. Die Idee leidet an einem Paradoxon.

Wer ab 2026 auf einer italienischen Autobahn in einen Stau gerät, kann von den privaten Autobahnbetreibern unter gewissen Voraussetzungen die schon bezahlte Autobahnmaut zurückverlangen. Das klingt nicht unlogisch: Ein Unternehmen bietet ein Produkt an, dieses entspricht nicht den bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (stundenlang in der Hitze herumstehen wird ja wohl weder in den AGB zu finden sein noch irgendwer gewöhnlich voraussetzen), also hat das Unternehmen dafür zu haften. Ist bei einem Computer oder einem Hotelaufenthalt nicht anders. Dank EU-Diskriminierungsverbot steht der Schadenersatz natürlich allen EU-Bürgern zu. 

Ein Zusammenspiel aus automatischer Kennzeichenerkennung und App soll auch die Geltendmachung des Schadenersatzes einfach machen bzw. sogar automatisieren.

Freilich gibt’s nicht für jeden Stau Geld. Insbesondere hängt es von der Ursache des Staus ab. Baustellen sind gut, die lassen sich leicht den Autobahnbetreibern zuordnen. Allerdings sind Baustellen, die nach Unfällen notwendig geworden sind, von der Haftung ebenso ausgenommen wie Rettungseinsätze oder Extremwetterereignisse. Letztere sind als typische Fälle von höherer Gewalt sowieso weltweit verbreitete Fluchtwege für eigentlich Schadenersatzpflichtige.

Jetzt ergibt sich die seltsame Situation, dass jemand für einen Schaden Ersatz bekommen soll, den er nicht nur selber verursacht hat, sondern der er geradezu selbst ist. Weil obwohl man ja, steht man selber im Stau, diesen stets als etwas sieht, an dem die anderen schuld sind, ist man nicht nur selber genauso (teil)schuld, sondern man ist Teil des Problems. Und zwar jeder  für sich der wichtigste Teil.

Wenn also nächsten Sommer hunderttausende Deutsche und Österreicher mehr oder weniger gleichzeitig mit ihren Autos in den Süden aufbrechen und damit bedingt vorsätzlich in einen Stau geraten, werden sie fürs Doofsein auch noch Geld kassieren dürfen, wenn, wovon man ausgehen kann, irgendwo eine Baustelle ist. Ich muss sagen, ich finde das echt großzügig.

Dieser Kommentar ist in autorevue 1/2 2026 erschienen.

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