Testbericht: Jaguar XFR-S

Fahrbericht Jaguar XFR-S. Es geht quer, es geht schnell, es geht laut, es geht einfach – bestens.

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2021

Der Jaguar XJR hatte uns schon ziemlich gut gefallen. Dann durften wir aber auch den ebenfalls ganz neuen XFR-S bewegen, da waren wir dann eher in Richtung: begeistert. Gut, die Vorfreude war schon ziemlich groß, denn Jaguar wagt es als einer der wenigen Hersteller, ein scharfes Teaser-Filmchen zu zeigen. Und nach einer ausführlichen Testfahrt, auf der Rennstrecke und über von Gott und sonst allen guten Geistern verlassene Landstraßen können wir bestätigen: yup, es geht. Es geht quer, es geht schnell, es geht laut, es geht einfach – bestens. es geht einfach – bestens.

AMG, M, RS, R, R-S, R-S GT

Aber: Gemach. Auch Jaguar hat erkannt, dass es eine Klientel gibt, der der Preis aber sowas von egal ist, Hauptsache, es wird Leistung geliefert und jenes gewisse Extra, das aus einem Automobil ein böses Tier oder zumindest etwas macht, was man nicht an jeder Straßenecke sieht. AMG bei Mercedes, M bei BMW, RS bei Audi heißen die Stichworte – und diese Liste wird sich in Zukunft beliebig verlängern lassen, sogar der Bieder-Hersteller Hyundai hat erkannt, dass Sonderausgaben das Ding sind, mit dem sich fette Margen einstreichen lassen. (Das R-Programm von Jaguar ist nicht wirklich neu, das gibt es schon seit 25 Jahren, doch erst jetzt beginnt eine anständige Promotion dieser Linie.) R bei Jaguar ist fein, R-S ist noch ein bisschen wilder, und R-S GT ist dann ganz oben. Vom XF wird es wohl keinen R-S GT geben, vom F-Type irgendwann schon, vom XK gibt es ihn schon.

Schriftzug R-S auf dem Jaguar
R-S: schön wild

Fahrspaß

Wir haben also mit der sportlichsten Version des XF zu tun, mit einem über einen Kompressor aufgeblasenen 5-Liter-V8, wie im XJR mit 550 PS und 680 Nm maximalem Drehmoment. Zwar ist der XFR-S wohl ein paar Kilo schwerer als der fast komplett aus Alu gefertigte XJR (leider gibt uns Jaguar da keine genauen Angaben), doch weil das viertürige Coupé in seinem Dimensionen deutlich kleiner ist als die Luxus-Limo, ist der Fahrspaß auf einer ganz anderen Ebene. Ja, Gewicht ist das eine, aber die Länge des Radstands eine andere. Und dann kommt noch die Abstimmung des Fahrwerks dazu: beim XFR-S haben die englisch-indischen Spezialisten die mehr knackige Version gewählt.

Anbremsen, reinschmeißen, gegenlenken und dann Vollgas

Das bedeutet, zumindest auf den Rennstrecke, wenn die Fahrdynamik-Regelung so weit wie möglich ausgeschaltet ist: grob, grob anbremsen vor der Kurven, das Teil reinschmeißen in die Biegung, dann schon vor dem Scheitelpunkt aufs Gas, einigermaßen sanft, alert sein aufs Gegenlenken, dann voll auf den Pinsel – und dann kommst Du wunderbar quer über die Bahn. Das ist zwar nicht schnell, aber fröhlich, sieht auch gut aus. Und darum geht es doch immer auch ein bisschen, wenn man solche ein Fahrzeug anschafft. Ok, das mit dem Gegenlenken haben nicht alle im Griff, doch Jaguar will ja auch Ersatzteile verkaufen können, wenn dem überforderten Piloten die Straße ausgeht.

Felgen des Jaguar XFR-S
Schwarze Felgen wären auch fein

You need balls

Wir können vermelden, dass es wirklich ausgezeichnet funktioniert, es braucht ein wenig «balls», der Elektronik zu vertrauen – und einmal hätten wir den XFR-S auch fast verloren, in einer schnellen Links-Rechts-Kombination, die aber dummerweise auch noch ein paar fiese Bodenwellen hatte, da war der Rechner des Jaguar dann überfordert. Erfreulich: mit eben diesen «balls» ging es dann doch, einfach draufbleiben auf dem Fahrpedal, da sind ja 550 Pferde, mit denen lässt sich so manches korrigieren. Die wahrscheinlich teuren, speziell für Jaguar gebackenen Pirelli-Gummis sind dann aber schnell dahin…

Jaguar XFR-S innen, cockpit
Vertraut der Elektronik

Ein Jaguar, der richtig gut geht

Die Fahrfreud‘ ist also vorhanden, sie ist sogar groß, auch auf der Rennstrecke. Wir bemängeln das zu fette Lenkrad, das finden wir auch im F-Type nicht gut, aber wir loben die guten Bremsen, den 8-Gang-Automaten von ZF, der, wenn händisch bedient, richtig gut zum XFR-S passt, die schön tiefe Sitzposition in den edlen Ledersesseln, den Sound. Er brüllt nicht, der XFR-S, aber er gibt Laut, ist da, ist vorhanden, braucht keinen Extra-Klappen-Tralala, und das ist gut so. Überhaupt ist der XFR-S kein selbstsüchtiger Übertreiber, sondern einfach ein Jaguar, der richtig gut geht.

Sitze des Jaguar XFR-S
Schön tiefe Sitzposition in edlen Ledersesseln

Zeigen wer man ist

300 km/h will er schaffen, elektronisch begrenzt. Wir haben das jetzt nicht abgeklärt, aber dafür braucht es wohl den fetten Flügel auf der Heckkante. Der ist, in der Schweiz zumindest, nicht im Preis inbegriffen, da gibt es im – unserer Meinung nach übertriebenen – Basispreis von etwas über 140.100 Euro nur eine dünne Lippe, das Karbondings kostet noch ein paar Scheine zusätzlich. Aber es ist anzunehmen, dass die potenzielle Klientel das Ding haben will, wahrscheinlich auch auf nicht Jaguar-typische Farben wie Knall-Blau und Kreisch-Rot zurückgreifen wird, denn eben, man will ja zeigen, wer man ist und wie viel man hat. In der Schweiz werden ja auch die Black-Series-Viecher von AMG weit überdurchschnittlich gut verkauft und die RS von Audi und die M&M’s von BMW. Wir würden so ein bisschen mehr Understatement fein finden, schwarze Lackierung, schwarze Felgen, kein Spoiler, das sieht gut aus, aber die Geschmäcker sind ja verschieden.

Motor des Jaguar XFR-S
Der klingt richtig gut

Leichtgängig

Ein paar Zeilen noch zur Lenkung. Es scheint da ein gewisser Trend zu sein, dass die Dinger wieder leichtgängiger werden. Das begann, in meiner Erinnerung, mit der dem Ferrari 430 Scuderia, beim 458 Italia ist es noch extremer, auch der McLaren MP4-12C lässt sich quasi mit einem Finger dirigieren. Ohne dass diesen Sportwagen deshalb die Präzision abgehen würde, ganz im Gegenteil, sie lassen sich führen wie chirurgische Instrumente. Dies im Gegensatz zu den deutschen Brachial-Sportlern; beispielsweise der Audi RS5 Cabrio , das Ding fühlt sich an wie ein Lastwagen, es braucht richtig Kraft, nicht nur, wenn man parkieren will. Auch im Vergleich zum Jaguar XFR-S, der ebenfalls mehr auf der leichten Seite ist. Es scheint uns das eine erfreuliche Entwicklung, denn leichtgängig muss nicht zwangsläufig gefühlslos sein, ganz und gar nicht.

Selten und nicht aufgebläht

Dann also noch der Vergleich. Vom gerade erneuerten M5 können wir nix schreiben. Aber den E63 AMG kennen wir, auch den RS4 und den RS6 (gibt es halt nur als Avant) und den RS7 und dazu noch den Ghibli von Maserati (der allerdings deutlich schwächer ist als der Jag). Da macht der Engländer alles andere als eine schlechte Figur, ganz im Gegenteil, dies auch deshalb, weil er nicht übertrieben aufgebläht auf den Rädern steht, auch deshalb, weil man ihn nicht an jeder zweiten Ampel neben sich sieht, auch deshalb, weil es uns freut, dass die indischen Besitzer Jaguar anscheinend ziemlich freie Freiheiten belassen haben. Dazu kommt, dass es so viele Wagen nicht gibt, in denen man zu viert bequem samt Gepäck mit über 250 km/h über die deutschen Autobahnen brausen kann, die Konkurrenz verlangt dafür einen Aufpreis (mit Ausnahme von Maserati).

Radical Jaguar

So ganz zum Schluss soll auch noch geschrieben sein, dass der XF halt schon ein gutes Automobil ist, vielleicht sogar das Beste, das Jaguar derzeit im Angebot hat. Und ja, da haben wir den F-Type schon berücksichtigt. Der XJR bietet zwar noch mehr Understatement, aber der XFR-S ist halt deutlich dynamischer. Mehr: radical.

Vielen Dank an die Kollegen von www.radical-mag.com

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