Alessandro Holler
Ein Getriebeappendix in Form eines Ventilators, der den Motor kühlt und gleichzeitig das ganze Auto auf die Straße saugt.

Brabham BT46B – Gordon Murrays legendärer F1-Staubsauger

Mit dem Brabham BT46B hat der britische Rennstall 1978 einen großen Ventilator zur Abtriebserzeugung ersonnen und damit sehr weit abseits ausgelatschter Pfade eine Antwort auf die überlegene Konkurrenz gefunden. Für kurze Zeit zumindest.

Veröffentlicht am 31.10.2022

Am Anfang der Geschichte zum Brabham BT46B braucht es einen Rückblick auf die damalige Ausgangslage in der F1. In der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre war Brabham guter Mittelstand unter den Formel-1-Teams. Die Spitze mit Ferrari, McLaren und Lotus war zwar meist außer Reichweite, aber man hatte durchaus vergangene Erfolge vorzuweisen. Außerdem gab es vielversprechendes Personal, darunter Teamchef (seit 1972 auch Besitzer) Bernie Ecclestone und Cheftechniker Gordon Murray. Beide sollten sich noch in die automobilen Annalen eintragen, der eine durch die Personwerdung des Wortes „Boss“, der andere als konstruktiver Kopf hinter der Dominanz des Triumvirates McLaren-Prost-Senna und mit der Kreation des möglicherweise besten Straßenautos aller Zeiten, dem McLaren F1.

Antrieb aus Italien

Jedenfalls hatte man sich für 1977 Alfa Romeo als Motorenlieferant angelacht und die Mailänder lieferten im Grunde schlicht den Dreiliter-Zwölfzylinder-Boxer (oder – richtiger – 180°-V, wir wollen dem Motorbaulehrbuch hier nicht unrecht tun) aus ihren weltmeisterlichen Sportwagen. Brabham wollte leistungsmäßig zu Ferrari aufschließen und nahm den Größen- und Gewichtsnachteil gegenüber dem bewährten Ford Cosworth DFV in Kauf. Aber, wie gesagt, ganz vorne spielten andere, das Championat machten Ferrari und Lotus unter sich aus. Niki Lauda und Ferrari behielten die Überhand, aber der Lotus 78, das erste Wingcar mit abtriebserzeugenden Venturitunneln, lies die ganze Saison über erahnen, dass Colin Chapmans Equipe nur mehr ein Quäntchen Zuverlässigkeit zur totalen Dominanz fehlte.

Lauda kommt!

Der Weltmeister aus Wien heuerte für die Saison 1978 bei Brabham-Alfa Romeo an, damit war eine recht illustre Runde beisammen. Auch Gordon Murrays Auto, der BT46 – damit wären wir beim Thema – war gelungen, außerdem mit flacher Front und trapezförmig quergeschnittenem Chassis durchaus fesch. Der ideenreiche Südafrikaner versuchte sich an allerlei Neuem, unter anderem an Oberflächenwärmetauschern, die konventionell durchströmte Kühler ersetzen und große Teile der Fahrzeugseiten bedecken sollten. Allerdings überhitzte der arme Alfamotor gar schrecklich und normale Kühler fanden den Weg zurück ins Auto.

Ein durchaus brauchbares Auto also, aber bei den ersten Rennen des Jahres war sofort klar, dass Lotus im Winter wohl über das fehlende Quäntchen gestolpert sein musste. Die schwarz-goldenen Lotus 79, weiterentwickelte 78, waren drückend überlegen.

Gegenmaßnahmen führen zum Brabham BT46B

Ecclestone wies seinen Chefzauberer umgehend an, ein Schild gegen die Lotus-Waffen zu entwerfen. Murray wusste natürlich, warum die Lotus so schnell waren, aber er wusste auch, dass ihm das breite Zwölfzylindertrumm im Heck keinen Platz für Venturitunnel lassen würde und er den fehlenden Abtrieb folglich woanders suchen musste. Dass bewegliche aerodynamische Hilfsmittel seit gut zehn Jahren verboten waren, wusste er übrigens ebenfalls. Trotzdem entschied er, einen epischen Ventilator ins Heck der Evolutionsstufe BT46B, dem inzwischen zur Legende gereiften Staubsauger-Brabham, zu bauen. Bewegliche Apparaturen, die nicht primär der Aerodynamik dienten, waren nämlich zugelassen und so umschiffte Murray den berühmten „movable aerodynamic device“-Passus im Regelment indem er dem Ventilator drei Kühler vorschaltete und das Ganze zum letzten Wort auf dem Gebiet der Motorkühlung erklärte. Die Offiziellen – offenbar einsehend, dass ihre Regelschrift etwas unsauber formuliert war – haben Murray daraufhin ein Dokument verehrt, in dem sie ihm den Einsatz des Ventilators bis zum Ende der Saison erlaubten. Danach würde das Reglement nachgeschärft und solcherart unterdruckerzeugende Spielereien ausdrücklich verboten werden.

Funktionsprinzip des Brabham BT46B.
© Bild: Alessandro Holler
Funktionsprinzip des Brabham BT46B. © Bild: Alessandro Holler

Das Konzept

Um den offiziell sekundären Effekt – den auf den Asphalt saugenden – seines Gebläses so weit wie möglich auszunützen, hat der Chefingenieur den Bereich unter dem Auto, wo die nicht durch die Kühler strömende Luft (wahrscheinlich reglementskonform genau 49%) angesaugt wurde, sauber mit Schürzen abgedichtet. Der Ventilator hing über eine Kupplung an der Getriebeeingangswelle, was bedeutete, dass der Abtrieb erstens drehzahlabhängig war und zweitens die Schaufelräder mitunter ziemlich hohen Drehzahlen ausgesetzt waren. Die ersten Ventilatorversionen hat es natürlich zerfetzt, aber bald funktionierte alles so saugstark, dass der Wagen beim einfachen Gasgeben in der Box am Boden aufsetzte. Die Steifigkeit der Federn musste verdreifacht werden. Man hatte das Gegengift gegen die Lotus gefunden. Mehr noch, denn der 79 brauchte Geschwindigkeit um Abtrieb zu generieren, während die BT46B schon im Stand (beim Start!) am Boden gepickt haben wie nur was.

Des Brabham BT46B Glück und Ende

Zum GP in Schweden war das Auto einsatzfähig und man traf Vorkehrungen, um die zu erwartende Überlegenheit nicht allzu deutlich zu zeigen. Lauda bestritt das Qualifying mit vollen Tanks und zurückhaltend, startete aber trotzdem neben dem Lotus von Pole-Mann und WM-Führendem Mario Andretti. Im Rennen lieferten sich die beiden zunächst einen engen Schlagabtausch, allerdings nur bis Didier Pironi seinen Ölkühler zur Gießkanne umfunktioniert und die Ideallinie mit einem schmierigen Ölfilm versehen hatte. Der Vorteil durch den Ventilatorsog war nun überdeutlich und Lauda der Sieg nicht mehr zu nehmen. Nach dem Rennen war die Aufregung groß, denn die anderen Teams reagierten mit nachvollziehbarer Verstimmtheit auf dieses freche Ausnützen einer Regelbuchgrauzone. Sie drohten Ecclestone, der auch Vorsitzender der Teamgewerkschaft FOCA war, ihm das Vertrauen zu entziehen. Colin Chapman war logischerweise der lauteste und penetranteste Gegner, er fürchtet um die Früchte seiner langjährigen Forschungsarbeit im Windkanal. Schlussendlich gab Ecclestone nach und zog den Wagen nach nur einem Rennen zurück. Die kurze Ära das Staubsaugers war damit vorüber, Laudas Sieg bleib jedoch gültig. Konstrukteur Gordon Murrey war anfangs natürlich wütend, Ecclestones Rechtfertigung, dass der Zusammenhalt in der FOCA wichtiger sei als ein de facto sicherer WM-Titel für Brabham-Alfa Romeo, wahrscheinlich kaum befriedigend. Er akzeptierte aber was nicht zu ändern war und verwarf das Konzept notgedrungen. Für die Saison 1979 bat er Alfa Romeo stattdessen um einen schmaleren V12 und baute – wie fast das gesamte Feld – ein lupenreines Wingcar.

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