Beep Beep – Plymouth Roadrunner

Mit dem Roadrunner brachte Plymouth einen Traum auf die Straße – nicht nur den eines Journalisten.

Veröffentlicht am 10.08.2013

Ein Journalist des Magazins «Car and Driver», der famose Brook Yates (der auch die «Cannonball»-Rennen erfand), soll es gewesen sein, der den Anstoss gab. Er «konstruierte» Anfang 1967 ein Auto, wie er es sich wünschte, ein zweitüriges Coupé, fette Motorisierung (dem Herrn schwebte der 440er-Coronado (7,2 Liter Hubraum) oder der 426er-Hemi (7 Liter Hubraum) vor), schöne Felgen – und sonst nichts, keine Streifen, keine ins Leere führenden Lufteinlässe, einfach sauberes, schnelles Automobil. Damit wandte sich der Herr an die Entwicklungsabteilung von Plymouth, wo man seinen Vorschlag zwar freundlich entgegennahm, ihm aber auch vorrechnete, dass so ein Gefährt in der Umsetzung kaum je rentabel werden könnte.

plymouth roadrunner cabriolet

Eine hübsche Geschichte, auf jeden Fall. Doch sie dürfte, auch wenn «Car and Driver» die entsprechenden «Beweise» veröffentlichte, kaum den Tatsachen entsprechen. Denn bereits im Herbst 1967 brachte Plymouth auf Automobil auf den Markt, das ziemlich genau den «Vorstellungen» von Yates entsprach. Die Amerikaner mögen zwar das Land der unbeschränkten Möglichkeiten (gewesen) sein, doch innerhalb eines halben Jahres schaffte es auch Detroit nicht, ein quasi komplett neues Modell aus dem Boden zu stampfen, zu testen, zu teasern, zu bauen, zu präsentieren, zu den Händlern zu bringen. Ganz besonders nicht ein Fahrzeug wie den Plymouth Roadrunner, hinter dem noch eine verwegene Marketing-Idee steckte.

Es dürfte vielmehr so gelaufen sein: Pontiac hatte 1964 den GTO auf den Markt gebracht, vielleicht nicht das allererste «muscle car», aber sicher das erste, das wirtschaftlichen Erfolg hatte. Die anderen Hersteller zogen schnell nach, es war ja tatsächlich nicht besonders schwierig, einen fetten Motor in ein verhältnismässig kleines Automobil einzubauen und noch ein paar Verzierungen anzubringen. 1967 verkaufte sich der GTO weiterhin prächtig, Chevrolet hatte mit der Chevelle ein noch heisseres Eisen im Feuer, und Chrysler selbst hatte ja auch so ein paar Dinge im Angebot.

Etwa den Dodge Charger (ab 1966). Oder den Dodge Challenger (ab 1969). Oder den Dodge Coronet (seit 1965). Oder den Plymouth Barracuda.

Doch die «muscle cars» waren teuer geworden.

Und auch so ein bisschen: fett. Plymouth sah durchaus Möglichkeiten für eine etwas vereinfachte Variante – keep it simple, stupid –, ein Gefährt, das eine sehr junge Kundschaft ansprechen sollte: die 16- bis 20-jährigen. Das Ding musste also ausgesprochen günstig werden, also entschied man sich für die billigste (und ausserdem: leichteste) Karosserieform, die vorhanden war, das «2-door pillar Coupé» des so genannten B-Body, wie ihn für den Jahrgang 1967 auf der Belvedere, der Satellite und der GTX erhielten. Dort pflanzte man den ebenfalls vorhandenen 6,3-Liter-V8 (383 cubic inch), der mit einem Vierfachvergaser sowie den Zylinderköpfen und Ventilen des 7,2-Liters auf respektable 335 PS und ein maximales Drehmoment von 576 Nm kam.

plymouth roadrunner cabriolet motor

 

Dazu kam dann noch der Name: Plymouth Roadrunner.

«Wile E. Coyote and Road Runner» war ein in den USA ausserordentlich beliebtes Cartoon, das Chuck Jones 1948 für Warner Bros. geschaffen hatte. Wile E. Coyote ist ein hungriger Kojote, der dauernd vom Pech verfolgt wurde; Road Runner ist ein flugunfähiger, aber rasend schneller Vogel, der eindeutig an ein Vieh angelehnt ist, das zu deutsch Wegekuckuck heisst (und lateinisch: Geococcyx californius). Das Cartoon hätte eine Parodie auf «Tom und Jerry» werden sollen, war aber dann so erfolgreich, dass Warner Bros. die Serie (mit Unterbrechungen) bis 2010 durchzog. Chrysler zahlte 50’000 Dollar, um den Namen verwenden zu dürfen – und investierte noch einmal 10’000 Dollar in eine Hupe, die das berühmte «beep, beep» des Roadrunners nachahmte. Anscheinend ging der Deal aber so spät über die Bühne, dass die 68er Plymouth Roadrunner noch mit einem schwarz-weissen Logo antreten mussten, weil man auf die Schnelle keine Farbe fand, um das Emblem entsprechend bemalen zu können.

plymouth roadrunner cabriolet detail
50’000 Dollar hat Chrysler für die Rechte bezahlt.

Das Ding ging ab wie Pressluft, und das in verschiedener Hinsicht.

Schon mit dem «kleinen» 6,3-Liter schaffte der doch 5,15 Meter lange Zweitürer den in den USA so wichtigen Sprint über die Viertelmeile in 13,5 Sekunden (und war dann 169 km/h schnell). Geschaltet wurde manuell über 4 Gänge – oder dann automatisch mit der bekannten TorqueFlite-3-Gang-Automatik. Plymouth hatte geplant, im ersten Jahr rund 2000 Roadrunner zu verkaufen (man hatte ja auch noch den GTX, den Charger R/T und den Coronet R/T als sanft übermotorisierte Maschinen im Angebot) – doch es wurden 45’000 Exemplare. Zwar verkaufte Pontiac noch mehr GTO und Chevrolet mehr Chevelle SS396, doch der Erfolg des Roadrunner animierte Dodge dazu, den quasi baugleichen Super Bee aufzulegen. Für einen Aufschlag von 714 Dollar konnte der Roadrunner bereits in seinem ersten Jahr auch mit dem 7,2-Liter-Hemi (425 PS, 664 Nm max. Drehmoment) bestellt werden.

Auch wurde bald schon das Hardtop Coupé – also: ohne B-Säule – nachgereicht. Und gegen Aufpreis gab die «Performance Hood»-Option, die ganz einfach aus einer schwarz lackierten Motorhaube bestand.

plymouth roadrunner cabriolet shifter

1969 gab es dann eine klare Veränderung auf ebendieser Motorhaube: die Option N96, der so genannte «Air Grabber», eine Lufthutze, die man aus dem Innenraum in den Wind stellen konnte, rein mechanisch (man tat dies mit Vorteil im Stillstand). Neu waren auch die hinteren Leuchten, Sicherheitsgurten (aber nur gegen Aufpreis) und die farbigen Roadrunner-Embleme. Der 383er-Motor blieb Standard (und war irgendwie die beste Motorisierung, der Roadrunner hatte zwar weniger Pferde, doch dafür blieb er angenehm leicht), zum 440er kam auch noch der 426er dazu. Ausserdem gab es: ein Cabrio. Nur gerade 2128 Stück wurden verkauft – insgesamt konnten 1969 aber gewaltige 82’109 Roadrunner abgesetzt werden (damit überholte der Plymouth erstmals den Pontiac GTO).

plymouth roadrunner cabriolet tacho

Ab 1970 hatten es Roadrunner und Co. dann aber bedeutend schwerer an der Verkaufsfront.

Man sprach jetzt in den USA auch von Sicherheit – und die Versicherungen verlangten einen happigen Aufschlag für die «muscle cars». So konnte Plymouth nur noch 41’000 Roadrunner verkaufen (der GTO kam auf rund 40’000 Exemplare, die Chevelle aber auf 54’000 Stück). Dabei war der Plymouth Roadrunner doch deutlich verbessert worden, es gab jetzt Ledersitze, einen hübscheren Frontgrill – und endlich anständige (Scheiben-)Bremsen; sogar der «Air Grabber» funktionierte jetzt, mit Hilfe eines Vakuums. Und dazu gab es wunderbare Farben, die auch sehr schöne Namen trugen wie In-Violet, Moulin Rouge oder Vitamin C. Das hier gezeigte Convertible (Schätzpreis zwischen 40’000 und 50’000 Dollar) verfügt über ein schreiendes Lime Green – und den Air Grabber. Und eine TorqueFlite-Automatik, die es weiterhin nur gegen Aufpreis gab; Standard-Schaltung war 1970 ein manuelles Dreigang-Getriebe. Ansonsten ist an diesem Cabrio, von dem in jenem Jahr nur noch 834 Stück gebaut wurden, alles Standard, auch der kleine Heckspoiler – wer es grösser will, der muss sich auf die Suche nach einen Roadrunner Superbird machen, der 1970 eingeführt wurde. Doch das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte.

 Vielen Dank an Peter Ruch von www.radical-mag.com