Andreas Riedmann
Die Anzeige des Allradantriebs in einem Audi quattro.

Wie funktioniert ein Allradantrieb?

Wir erklären, wie der Allradantrieb funktioniert, beleuchten die Vor- und Nachteile, und stellen die wichtigsten Automodelle aus der Geschichte des Allradantriebs vor.

Veröffentlicht am 08.07.2022

Der Begriff Allradantrieb ist einigermaßen selbsterklärend, er beschreibt ein Konzept, das den Einsatz aller vorhandenen Räder für das Übertragen der Antriebsleistung vom Fahrzeug auf die Fahrbahn vorsieht. Erfahrt hier alles Wissenswerte über den Allradantrieb.

Nachteile des Allradantriebs

Bei den heutigen Straßenverhältnissen ist das zwar selten zwingend notwendig und eine angetriebene Achse prinzipiell ausreichend, aber oft werden die mit Allradantrieb einhergehenden Nachteile (Mehrgewicht und höhere Komplexität) von den Vorteilen überwogen.

Vorteile des Allradantriebs

Zu diesen Stärken gehört in erster Linie die verbesserte Traktion auf rutschigem Untergrund oder im Gelände, außerdem die Möglichkeit hohe und höchste Leistungen effizient und sicher auf die Straße zu bringen. Die Fahrdynamik lässt sich ebenfalls nachhaltig beeinflussen.

Unterschiedliche Bezeichnung des Allradantriebs

Weil heutige Pkw üblicherweise vier Räder haben, sind Allrad- und Vierradantrieb praktisch gleichbedeutend, abgekürzt meist als AWD (all wheel drive), 4WD oder 4×4. Letzteres folgt der Namenskonvention Anzahl der vorhandenen Räder × Anzahl der angetriebenen Räder (zum Vergleich: 4×2, 6×6, 6×4 und so weiter und so fort). Die Hersteller benennen die 4×4-Versionen ihrer Modelle gern mit Selbstkreiertem, prominente Bespiele sind quattro oder 4matic.

Funktion des Allradantriebs

Allradantrieb ist auf mehrere Arten darstellbar, etwa durch ein separates Aggregat pro Achse (Citroën 2CV Sahara) oder sogar pro Rad (Mercedes SLS Electric Drive). Allerdings sind solche exotischen Lösungen bislang wenig mehr als ein Aufzeigen des technisch Möglichen. In der wirklichen Welt mit nur einer Antriebsquelle unterscheidet man zwischen zwei Grundkonfigurationen, nämlich permanentem und zuschaltbarem Allradantrieb.

Permanenter Allradantrieb

Im Falle permanenten Allradantriebes werden stets alle Räder mit Leistung versorgt, was ein Mitteldifferential zum Ausgleich der Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse notwendig macht. Oft, vor allem in ausgewiesenen Geländewagen, ist es zweckmäßig, dieses Mitteldifferential sowie die beiden Achsdifferentiale sperrbar auszuführen.

Wie funktioniert ein Allradantrieb?
Der permanente Allradantrieb mit Zentraldifferenzial
1 = Motor | 2 = Zentraldifferenzial © Bild: CC0/Tryphon

Zuschaltbarer Allradantrieb

Man spricht von zuschaltbarem Allradantrieb, wenn nur eine der Achsen immer angetrieben wird, während die andere im Bedarfsfall über eine Kupplung mit der Antriebseinheit verbunden wird. Dieser Konfiguration fehlt ein zentrales Differential. In frühen Versionen musste das Zuschalten noch von Hand passieren und der Antrieb aller Räder ging immer mit einer starren Verbindung der beiden Achsen einher. Das hat den Einsatz der Vorrichtung auf griffigem Untergrund mehr oder weniger ausgeschlossen. Trotzdem gibt es auch heute noch Geländewagen, die auf dieses Prinzip vertrauen.

Grafische Darstellung eines zuschaltbaren Allradantriebs mit Klauenkupplung.
Zuschaltbarer Allradantrieb (Klauenkupplung)
1 = Motor | 2 = Klauenkupplung © Bild: CC0/Tryphon

Vollautomatisch zugeschalteter Allradantrieb

Moderne Ausführungen koppeln die Achsen vollautomatisch und nach Bedarf, entweder mit passiven Viskokupplungen oder mit elektronisch angesteuerten, hydraulischen Lamellenkupplungen (HALDEX). Die aktuellsten Systeme sind – auch dank enger Vernetzung mit anderen Fahrzeugsystemen – derart schnell und raffiniert, dass relativ zu den mechanisch prinzipiell überlegenen 3-Differenzial-Ausführungen kaum mehr Nachteile feststellbar sind.

Grafische Darstellung eines zuschaltbaren Allradantriebs mit Visco-Kupplung.
Zuschaltbarer Allradantrieb (Visco-Kupplung)
1 = Motor | 2 = Visco-Kupplung © Bild: CC0/Tryphon

Geschichte des Allradantriebs

Grundsätzlich ist Allradantrieb alles andere als neu, schon vor mehr als 100 Jahren haben sich Konstrukteure damit beschäftigt. Es gab vierradgetriebene Dampfvehikel und natürlich Ferdinand Porsches relativ bekannten Lohner-Porsche mit vier elektrischen Radnabenmotoren. Die Fahrzeuge der holländischen Firma Spijker (vor einigen Jahren als Spyker wiederbelebt) dürften 1903 die ersten 4×4s mit Verbrennungsmotor gewesen sein.

Drei Herren auf dem Lohner Porsche.
Lohner Porsche © Bild: Foto von 1902

Jeep Land Rover als Blaupause

Im Folgenden hat sich Allradantrieb hauptsächlich in eher speziellen Anwendungsbereichen beweisen müssen: eingesetzt von den Streitkräften (gern unter feudalen Kommandeurswagen), für Expeditionen in den Kolonien, gelegentlich im Motorsport – dort allerdings mit spärlichem Erfolg. Auch im Zweiten Weltkrieg wurden – teilweise absurd komplexe – Fahrzeuge mit Allradantrieb eingesetzt, die Jeeps der US-Truppen entwickelten sich daraufhin zu einer Art Blaupause für robuste Geländewagen. Quasi im Vorbeigehen hat der Jeep auch dem gleichermaßen berühmten Land Rover die Basis geliefert. Nach dem Krieg blieb Allradantrieb fürs Erste grobem Gerät vorbehalten, auch wenn dann und wann weitere Versuche unternommen wurden, die Allradvorteile im Motorsport auszubeuten.

Die Vorläufer der SUV

Erst 1966 brachte die britische Firma Jensen mit dem Modell FF den ersten Pkw mit vollwertigem, permanentem Allradsystem (FF  steh für Ferguson Formula) auf den Markt. Die Stückzahlen des auf oder sogar über Aston Martin-Niveau gepreisten Gran Turismo blieben aber so gering (etwas über 300 Stück), dass man nicht von nachhaltigem Einfluss auf die Autowelt sprechen kann. Einflussreicher waren die zuerst in Amerika (Jeep Wagoneer) und dann in England (Rang Rover) aufkommenden Luxusgeländewagen, die heute als SUV einen fixen Platz in der Zulassungsstatik einnehmen. 1972 war der Subaru Leone erstmals erhältlich, er war als Pkw mit zuschaltbarem Allradantrieb und günstigem Preis ein echter Pionier für die Massen. Allerdings war sein Antrieb kaum mehr als eine Traktionshilfe für glatte Untergründe, auf griffiger Fahrbahn mussten die Achsen entkoppelt bleiben.

Der erste Pkw mit kompromisslos einsetzbarem Allradantrieb

Ein paar Jahre danach, genauer 1979, durchpflügte der sich chronisch in Geldnot befindliche US-Konzern American Motors – damals Eigentümer von Jeep – seinen Baukasten und stopfte das fortschrittliche Allradsystem Quadra Trac unter seine schon leicht veralteten Mittelklassemodelle Concord und Spirit. Obwohl mit  größeren Reifen und Radlaufverbreiterungen das Geländewagenthema zumindest streifend, war der aus dieser Kreuzung entstandene AMC Eagle der wohl erste Pkw mit kompromisslos einsetzbarem Allradantrieb.

Franz Wittmann Senior im allradbetriebenen Audi quattro.
Franz Wittmann Senior 1984 in seinem Audi quattro. © Bild: CC0

Premiere für den Audi quattro und der Allradboom

Fast gleichzeitig präsentierte Audi in Europa den quattro, geboren zwar aus einer ähnlichen Idee wie der Eagle, jedoch viel konsequenter auf hohe Fahrdynamik getrimmt. Sein Allradsystem war elegant simpel, relativ leicht und trotzdem vollwertig. Vor allem aber haben Erfolge im Rallyesport die Überlegenheit von Allradantrieb – zumindest in gewissen Situationen – so deutlich unter Beweis gestellt, dass in den Achtzigerjahren ein wahrer Allradboom einsetzen sollte. Innerhalb dieser Dekade hat so gut wie jeder europäische und japanische Hersteller sein eigenes 4×4-System auf den Markt gebracht. Der Hype hat in den 90ern zwar nachgelassen, aber mit der SUV-Welle der letzten Jahre und der ähnlich gegenwärtigen Leistungsexplosion in den oberen Klassen hat Allradantrieb heute eine doch nennenswerte Präsenz auf unseren Straßen.

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