BMW 1800 und 2000 – Belohnter Mut

Das Konzept war ein Beispiel für das Baukastensystem wie aus dem Lehrbuch.

Zuletzt aktualisiert am 26.03.2021

Mit dem 1500 hatte BMW endlich das fehlende Bindeglied zwischen Klein- und Großwagen im Programm. Wurde bisher gespottet, BMW baue nur «Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner», sprach die neue Mittelklasse einen neuen Kundenkreis an. Flugs nannte die BMW-Werbung den 1500 bereits 1962 die «neue Klasse», wobei das Wort «neue» zunächst noch kleingeschrieben war. Einige Monate später entstand daraus die «NEUE KLASSE», die sich wenig später in die «Neue Klasse» verwandelte. Ein geschickter Marketing-Schachzug, denn ab Herbst 1963 wurde aus dem Einzelkind 1500 eine kleine Familie: Der BMW 1800 und der 1800 ti debütierten auf der IAA.

Der BMW 1800

Das Konzept für den BMW 1800 war ein Beispiel für das Baukastensystem wie aus dem Lehrbuch: Mehr Hub und eine größere Bohrung bescherten dem Motor 1,8 Liter Hubraum und mit 90 PS mehr Leistung. Die Karosserie war praktisch unverändert, nur besser ausgestattet. Äußerlich unterschied sich der 1800 durch das andere Typenschild und zwei zusätzliche Chromleisten.

Der BMW 1800 seitlich
Scharfes, scharfes Teil.

Für 9.985 DM, 500 Mark mehr als der 1500 kostete, bekam der Kunde ein Auto, das in 13,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h spurtete und 160 km/h schnell rennen konnte. Das Highlight der Modellneuheiten auf der IAA 1963 war aber der neue BMW 1800 TI. Die beiden Buchstaben standen für Touring International und sollten zum Synonym für einen der schnellsten und erfolgreichsten Renntourenwagen der 60er Jahre werden. Für den sportlichsten Vertreter der Neuen Klasse wurde die Verdichtung des Motors auf 1:9,5 erhöht, zwei Solex-Doppelvergaser, von einem riesigen Luftfilter in ihrer Atmung nicht behindert, sorgten für die Füllung. Größere Einlassventile und härtere Ventilfedern, eine Nockenwelle mit längeren Ventilöffnungszeiten und höheren Nocken trieben zusammen mit den anderen Maßnahmen die Leistung des 1,8 Liter auf jetzt 110 PS bei 5800/min. Für die gute Rückkühlung des Öls sorgte die auf fünf Liter Inhalt vergrößerte und kräftig verrippte Leichtmetall-Ölwanne.

Elf Sekunden!

Ein eng gestuftes Sportgetriebe, dessen 1. und 4. Gang nur um 1:2,819 auseinander lagen, ermöglichte eine überaus sportliche Fahrweise. Auch die Lenkung war knapper übersetzt, um schnelle Wechselkurven noch exakter anpeilen zu können. Der vordere Drehstabstabilisator wurde durch einen weiteren Stabilisator für die Hinterräder unterstützt, die Feder selbst kürzer und durch härtere Stoßdämpfer im Zaum gehalten. Der 1800 TI hatte eine für die damalige Zeit berauschende Beschleunigung: Elf Sekunden nach dem Start strich die Tachonadel über die 100 km/h, erst bei 170 km/h war Schluss.

Ein Rennplakat des BMW 1800
Genau.

Sonderausstattung für Wettbewerbe

Doch es ging sogar noch heißer: eine «Sonderausstattung für Wettbewerbe» bot Schalensitze für Fahrer und Beifahrer, härtere Vorderfedern, die die Karosse um sechs Millimeter tiefer brachten sowie härtere oder verstellbare Stoßdämpfer. Zur Wahl standen ein Viergang-Getriebe mit Sportübersetzung – oder ein Fünfgang-Getriebe sowie vier verschiedene Hinterachsübersetzungen.

BMW 1800 TISA

Ein Sperrdifferenzial war ebenso im Lieferumfang wie Rennbeläge und Zusatzkühlung für die Scheibenbremse sowie ein Kraftstoffbehälter mit 105 Liter Inhalt nebst elektrischer Kraftstoffpumpe. Das motorsportliche Doping machte auch vor dem Motor nicht halt: Speziell geformte Vierringkolben erhöhten die Verdichtung auf 10,2, eine Nockenwelle mit längeren und höheren Nocken vearbeitete vergrößerte Einlassventile mit härteren Ventilfedern. Für einen zusätzlichen Ölkühler wurde bereits ein Anschluss vorgesehen. Seine Abgase entließ der solchermaßen auf rund 130 PS erstarkte Motor durch eine Sport-Auspuffanlage. Aus Homologationsgründen legte BMW 1965 eine auf 200 Exemplare limitierte Kleinserie des 1800 TI in weiterentwickelter Motorsport- Version auf und nannte sie 1800 TISA, wobei die beiden letzten Buchstaben für «Sonderausführung» standen. Der 13.500 Mark teure Wagen wurde ausschließlich an lizenzierte Renn- und Sportfahrer in Europa und den USA verkauft und rannte je nach Übersetzung bis zu 192 km/h schnell.

Der BMW 1800 in der Rennversion
Für BMW gab es reihenweise sportliche Lorbeeren

Sportliche Erfolge

Während der BMW 1800 im Handumdrehen zum Erfolgsmodell im Verkauf avancierte, sammelte der 1800 TI in der Rennsportausführung reihenweise sportliche Lorbeeren ein. Seine Erfolge sind untrennbar mit einem Namen verbunden: Hubert Hahne. Bereits im ersten Jahr 1964 dominierte er mit dem neuen BMW Tourenwagen die Konkurrenz nach Belieben. Hahne siegte 14-mal in 16 Rennen und wurde deutscher Rundstreckenmeister. Auch auf Langstreckenrennen und in der Tourenwagen-Europameisterschaft wurde das Duo Hahne/BMW zum Maßstab. Beim 12 Stunden-Rennen für Tourenwagen auf dem Nürburgring fuhr Hahne 1964 beispielsweise den Gesamtsieg heraus. Als schnellste Runde wurden ungeschlagene 126,6 km/h gestoppt, sein Gesamtdurchschnitt lag bei 120,9 km/h. Doch die besten Jahre sollten erst noch kommen: Am 6. August 1966 umrundete Hahne in einem Rahmenrennen zum Großen Preis von Deutschland mit dem hubraumstärkeren BMW 2000 Ti als erster in einem Tourenwagen die Nürburgring-Nordschleife in weniger als zehn Minuten.

Der BMW 1800 bei einem Rennen
Hubert Hahne dominierte nach belieben

100.000 Autos in 4 Jahren

Die Fertigung des BMW 1800 begann im November 1963, während der BMW 1800 TI erst im Frühjahr 1964 in Serie ging. BMW konnte gar nicht so viele Modelle der Neuen Klasse liefern, wie gewünscht wurden. Gegenüber 1962 explodiert der BMW-Umsatz um 47 Prozent auf 433 Millionen Mark. Die Neue Klasse hatte daran bereits einen Anteil von 46 Prozent. Bereits weniger als vier Jahre nach Produktionsbeginn feierte die Belegschaft am 18. August 1965 den 100.000 Wagen der Neuen Klasse.

Der BMW 2000 (TI)

Da holte BMW den letzten Pfeil aus dem Köcher: den Zweiliter. Ab Ende Januar 1966 ging das neue Topmodell in Serienproduktion, 100 PS stark, knapp 170 km/h schnell und 11.260 Mark teuer. Optisch grenzte sich der BMW 2000 durch sein neues Gesicht mit Rechteck- statt Rundscheinwerfern ab. Eine rings um die Motorhaube und in die Gürtellinie einlaufende Intarsien-Zierleiste betonte die neue Frontpartie. Das ebenfalls neu gestaltete Heck wirkte durch die großflächigen Heckleuchten mit vier Leuchtkammern besonders breit und übersichtlich. Aufgrund der positiven Erfahrung, die BMW mit den Varianten des 1800 gemacht hatte, stand der neuen Reiselimousine von Anfang an auch gleich eine sportlichere Version zur Seite, der 2000 TI. Bei ihm ersetzten zwei Doppelvergaser den Vierfachvergaser des 2000, zudem stieg die Verdichtung von 8,5 auf 9,3. Das Ergebnis waren 20 PS mehr, die dem 2000 TI immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 180 km/h ermöglichte. Bei ihm kultivierte BMW einmal mehr das Understatement und lieferte ihn zunächst im Karosseriedesign des 1800 aus. Lediglich die Typbezeichnung in der Frontmaske und auf dem Heckdeckel wies auf das nunmehr stärkste und mit 11.750 DM auch teuerste Straßenmodell der Neuen Klasse hin.

Der BMW 2000 tilux

Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Kunden zwar die Mehrleistung des 2000 TI goutierten, den Komfort und den repräsentativeren Auftritt des Zweiliter-Grundmodells nicht missen mochte. BMW reagierte schnell und stellte bereits im Juli 1966 den 2000 tilux vor, erstmals mit einem Schriftzug in Kleinbuchstaben. Für genau einen Tausender mehr als der 2000 TI konnte der Kunde nun beides haben.

Modellpflege 1969

Um die Viertürer für die noch verbleibende Produktionszeit weiter attraktiv zu halten, ließ BMW ihnen 1969 nochmals eine größere Modellpflege angedeihen. Die größten Änderungen betrafen den BMW 1800. Schon die äußerlichen Korrekturen machten ihn auf den ersten Blick als Modell 1969 erkennbar. Der Grill war umgestaltet, mit leicht vorgezogener Niere. Der Innenraum war komplett überarbeitet und auf die verschärften amerikanischen Sicherheitsbestimmungen abgestimmt worden. Unter der Fronthaube saß ein neuer Motor, der auf dem Motorblock des BMW 2000 basierte. Mit dessen Kolben ergaben sich bei 71 Millimeter Hub rund 1,8 Liter Hubraum, aus denen der 1800er unverändert 90 PS Leistung entwickelte.

Der BMW 1800 im Schnee
Naja, auf Schnee war der BMW nicht ausgesprochen gut.

Spitzenmodell BMW 2000 tii

Die zukunftsweisendste Technik hatte freilich ab 1969 das neue Spitzenmodell der Neuen Klasse aufzuweisen, der BMW 2000 tii. Das zweite i stand für Injection und signalisierte der Umwelt, dass hier mit 130 PS der leistungsstärkste Viertürer der BMW Mittelklasse daherkam. Die Kugelfischer-Saugrohr-Benzineinspritzung war bei BMW seit Jahren im sportlichen Einsatz mit Leistungen bis zu 205 PS erfolgreich erprobt worden, sodass es nahe lag, dieses System auch für die schrittweise Leistungssteigerung der serienmäßigen sportlichen BMW Limousine zu verwenden. Getreu dem BMW-Prinzip des kontrollierten Fortschrittes wurde die Leistung des Zweiliter-Motors von 120 PS bei 5500 U/min auf 130 PS bei 5800 U/min angehoben. Dabei erstreckte sich der Leistungszuwachs über den gesamten Drehzahlbereich. Helfer bei dieser Leistungssteigerung war die Anhebung des Verdichtungsverhältnisses von 9,3 auf 10:1 – eine Maßnahme, die durch die bessere Kraftstoff-Verteilung ohne Sorge vor erhöhter Klopfneigung durchgeführt werden konnte. Die Höchstgeschwindigkeit stieg von 180 km/h auf 185 km/h, und von 0 – 100 km/h brauchte man 10,4 Sekunden. Was das Fahren mit diesem BMW 2000 tii aber so besonders erfreulich machte, war das verzögerungsfreie Gasannehmen – der Wagen hing wie kein zweiter am Gaspedal.

Neue Klasse

14.290 Mark waren ein stolzer Preis für das neue Topmodell, das mit weniger als 2000 gebauten Exemplaren zu den gesuchtesten Raritäten der Neuen Klasse gehört. Drei Jahre Laufzeit waren ihr noch vergönnt, dann endete nach 350.729 gebauten Fahrzeugen eine goldene Ära.

Hier geht es zum ersten Teil, dem BMW 1500.

Vielen Dank an die Kollegen von www.radical-mag.com